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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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das weiß der Herr wol / daß uns nicht geringe Ehr zustehet / wann wir so etwas von neuen Erfindungen auff die Bahn bringen und in offentlichen Disputationibus behaupten können; Hoho! antwortet der Jurist / ist der Herr da zerbrochen? Er sollte sich aber erinnern daß bey nahe alle Ketzereyen auff diesem Weg daher gewandert; Der seelige und geistreiche Thomas de Kempis sagt / es seye besser die Demuth haben / als viel von derselbigen discuriren können; so ist das alte Sprichwort mehr als genugsam wahr / daß der Glaub / das Aug und die Jungfrauschafft den geringsten Schertz ohne Schaden nicht vertragen könne; Was ists dann vonnöthen / daß wir sich viel mit dergleichen gegründeten Sachen schleppen / wir sehen täglich genugsame Wunderwercke GOttes vor Augen / die uns zu seinem Lob reitzen / wann wir deren nur wahrnemmen; und dörffen nicht erst deßwegen die Theophrastus Paracelsus in lib. de Nymphis, Sylphis, Pygmais & Salimandris, &c. und Heinrich Kornmann in Monte Veneris , seltzame und unerhörte Geschöpffe tichten / sonderlich wo wir sorgen müssen / daß der leidige Teufel unter der Gestalt solcher Nymphæ oder Wasserleute / Pygmæi oder Bergleute / Sylphis oder Lufftleut und dann der Salamandri, Vulcani oder Feuerleut sein Gauckelfuhr hat / uns Menschen zu betrügen.

Unter diesem Gespräch kamen wir wo sich ein Fußpfad bey einem Wald von dem Fahrweg abscheidete / weßwegen meine zween Studiosi in die Wahl geriethen welchen sie unter diesen beyden gehen wolten / und als sie ein wenig dort still stunden / nähert sich ihnen ein Mann / den sie umb den rechten und nächsten Weg nach dem vor uns ligenden Flecken fragten / der wiese sie auff den Fußpfad und sagte / daß selbiger umb eine gantze Stund näher und auch besser als der Fahrweg zu gehen wäre / wie er dann auch gleich jetzt auff demselbigen in den besagten Flecken sich zu begeben willens wäre; derselbe Kerl gieng füran / beyde Studenten folgten ihm / und ich tratt aber hinden hernach! Wir waren kaum eine halbe Stund gangen als ich wahrnam / daß der Weg je länger je ungänger: und der Wald je länger je dicker und wilder wurde / dahero mir dann nichts guts anden wolte; Jedoch verliesse ich mich auff meine Unsichtbarkeit und daß wir mitten in einem Lande wanderten / darinn der Friede grünet; dachte auch beyde Studenten würden keine Kinder oder Memen seyn / sich entweder verführen oder so leichtlich berauben zu lassen / weil jeder einen Degen an Statt deß Steckens in Händen trug! Aber als ich hiermit in meinen Gedancken handthierte / sprang ein Kerl mit einer Phisi hinter mir her / und schrihe meine beyde Gefehrten an / sie solten sich gefangen geben / und in demselben Augenblick als sich diese nach ihnen umbsahen / hatte der förderste / so den Weg gewiesen / dem Theologo den Degen auß der Hand gerungen; der ander als er sich verlassen / und zween Bewehrte gegen sich und seinen unbewehrten Cameraden sahe / erschrack dermassen / daß er außsahe wie Schreibpapier / und das Hertz weis nicht wohin / seinen Degen auß der Hand fallen liesse / neben jenem beyde Mausköpff umb Gnad und Barmhertzigkeit anflehende.
    Welche aber wie zween Taube sich stellten / und die arme Tropffen gar abweg und noch besser für sich in den Wald hinein zu gehen müssigten; Jch schliche mit ihnen fort / zu sehen was sie doch endlich mit den beyden guten Lateinern machen wolten / biß wir an einen Ort kamen da sie sich niedersetzen / und selbsten biß auff die Hemder deren jeder drey anhatte / ausziehen musten; da horte ich nun die allererbärmlichste Wort / die jeder vorbrachte sein Leben zu erhalten / wiewol es ihnen die beyde Waldfischer noch nicht außdrucklich angekündet hatten / sondern sie stellten sich wie erstgemeldt / natürlich wie zween Taube und Stumme; Es war nicht genug / daß sich ein jeder biß auff seine drey Hemder ausziehen muste / sondern sie wurden auch gezwungen zwey von denselbigen auszuziehen und nun eins anzubehalten / welches ihnen dann genugsam zu verstehen gab / daß dieses so ihnen gelassen wurde / ihr Grabtuch oder Sterbkittel seyn solte; Derowegen fiengen sie viel eine jämmerliche Klag an als zuvor / also daß es einen Felsen zu Mitleiden und erbärmte hätte bewegen sollen / aber die zween Unmenschen verblieben allerdings gantz unbeweglich; so / daß ich mich darüber verwundern muste! Ach! sagte damals einer zum andern / hätten wir an statt der eitelen Thorheiten / vergeblichen Nachgrüblungen und albern Disputationen gelernet

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