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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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/ wie wir wol und seelig sterben solten!
    Wie es nun an dem war / daß einer von den Bosch-Kleppern den Hanen zuruck zog / umb dem einen Studioso den Rest zu geben / stunde ich ihm an der Seiten / und risse ihm das Rohr so schnell und ungestümiglich auß den Händen / daß es loß schnappte / und der Schuß vergeblich in den Lufft gieng; ich aber kehrte das Rohr flux umb / und schlug es demselben Strauch-Mörder dermassen für den Kopff / daß er dorthin dürmelte / wie ein Ochs der vom Metzger einen Streich auff die Plasse bekommen; der Schlag! das Hinfallen deß Getroffenen: die Verschwind- und Loßbrennung deß Rohrs: und die Erledigung dessen der da hat sterben sollen / war eins / und geschahe gleichsam alles in einem so unversehenen Augenblick / daß dessen dort in Ohnmächt liegenden Cammerrath darüber erstaunete / und vor dem andern Studenten gantz erplast so stock still stunde / wie ein steinerne Seul; Das bekümmerte mich aber gar nichts / sonder ich gieng hin / und gab ihm mit dem Rohr so tölpische Rippstösse / daß er sich darvon krümmete wie eine Schlang / und endlich seinen Füssen dergestalt zusprach / daß sie ihn so geschwind hinweg trugen / als ob ihn der Teufel entweder gejagt oder selbst fortgetragen hätte.
    Jch setzte mich ein wenig nieder / zu sehen / was nun die Studenten machen wolten / dieselbe zogen sich gleichsam auff der Post wiederumb an / und rafften ihre Bagage in solcher Eil zusammen / als wann sie solche stehlen müssen; da sich aber der eine Kerl deß entloffenen Cammeraths / den ich niedergeschlagen hatte / wieder ein wenig erholte / also daß er sich regte und wieder aufstehen wolte / erdappten sie ihre Degen / giengen auff ihn loß / und wolten ihn erst niederspissen / also daß ich sie alle beyde zugleich schwerlich enthalten konte / ihren rachgierigen Willen ins Werck zu setzen; muste derowegen reden / wolte ich anders jenen das Leben erhalten / sagende; Könnt ihr nicht fassen / wann vor dißmal ein Mord zubegehen hier zugelassen worden wäre / daß ihr beyde die erste gewesen seyn sollen / so sterben müssen? wolt ihr aber diesen Menschen umb seinen Frevel gestrafft wissen / so nemmt ihn hin und überlieffert ihn der Justitz! Hiervon erschracken sie / daß sie gleich abliessen / vornemlich als sie auch einen unsichtbaren Gewalt an ihren Armen darbey ich sie gefast hatte / empfanden / der sie an ihrem Beginnen verhinderte; Sie begehrten aber gleichwol den Strauch-Rauber nicht anzupacken / umb ihne der Obrigkeit zu übergeben / sonder liesse ihn in Wald wischen; es war ihnen genug / daß sie vor dißmal dem Tod entronnen / und was gieng es sie an (haben sie vielleicht gedacht) was der Kerl noch fürterhin anstellen würde / also triebe sie auch keine Noth / sich ferner mit ihme zubeladen.
    Da sie sich nun wieder angezogen: ihre geringe Päck auffgebündelt: und von dem grossen eingenommenen Schrecken erholet hatten / gedachten sie erst wie wunderbarlicher Weise sie vom Tod errettet worden wären; Sie konten nicht glauben / daß sie ihrer Verdienste wegen würdig wären / von GOTT so augenscheinliche Hülff durch ihren Schutz-Engel zuempfahen; und konten ihnen doch auch nit einbilden / daß der Teufel Mord und Todschläge verhindert haben würde? brachten derowegen abermal allerhand irrige Einfäll und narrische Grillen auff die Bahn / keiner andern Ursachen halben / als weil sie die Würckung meines Vogel-Nestes nicht wusten / dann sonst wäre verhoffentlich ihr Discurs vielleicht anders gefallen; Sie wusten nicht ob ihnen die manes oder lemures : die cœlites oder inferi auß ihrer Noth geholffen hätten / und ich glaube / wann ich noch mehr mit ihnen zu reden kein Bedenckens getragen / ich hätte sie so unsichtbarer Gestalt leicht beschwatzen können / ob wäre ich einer von deß oben gedachten Paracelsi oder Kornmans lufft: oder Erdleuten: oder gar auß deß Luciani Mon-menschen: oder der Geist eines vor hundert tausend Jahren abgestorbenen Præadamiten gewesen.
    Demnach liesse ich sie ihres Wegs allein fort passiren / und kützelt mich damit / daß ich als ein ungelehrter Idiot den Grund der beschehenen Begebenheit wuste / sie aber als hochgelehrte Kerl darnach rathen musten / und darvon wie der Blinde von der Farb urtheilten; Das eroberte Rohr schlug ich an einem Baum zu Stücken / weil ich keines Gewehrs bedorffte / und damit wandert ich dem nechsten Marckflecken zu / allwo ich im Wirthshause anlangte / darinn eben ein hochzeitlich Fest mit Essen und Trincken

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