Das Yakuza-Mal
Am Ortsende, wo schon wieder die freie Natur begann, stand eine kleine Fabrik. Er konnte nicht erkennen, was dort hergestellt wurde, aber sie erschien ihm wie eine Mahnung, daß Veränderungen überall stattfanden, selbst hier, wo die Zeit stehengeblieben schien.
Osgood erreichte den nach links abzweigenden Weg, auf den ihn Gonroku-san hingewiesen hatte.
Er schaltete herunter und bog langsam nach links ab. Der Schotterweg war von der zweispurigen Straße aus, von der er abbog, kaum zu sehen. Er fuhr langsam, denn der Schotterweg war kaum breiter als ein Auto, und wenn ihm hier irgendein Fahrzeug selbst bei geringer Geschwindigkeit entgegenkam, konnte das katastrophale Folgen haben.
Osgoods Gedanken kreisten wieder um das, was Gonroku Umi ihm über diesen Ninja-Jonin erzählt hatte. Wenn es um die Ninjas ging, waren Legende und Wahrheit nicht mehr auseinanderzuhalten.
Diese Kampfeliten sollen im 6. Jahrhundert aus einem Konflikt zwischen zwei sich bekriegenden Prinzen entstanden sein. Der erste »Ninja« war ein Spion. Daraus hatte sich die kriegerische Kunst des Ninjitsu und des »Tonbo« und »In-bo«, des Fliehens und Versteckens, entwickelt. Die Ninjas galten als Beherrscher der seit mehr als einem Jahrtausend geheimnisumwitterten Kunst des Ninjitsu und hatten der Legende zufolge die Fähigkeit, selbst die Gedanken ihrer Gegner zu umnebeln. Die Straße stieg noch einmal steil an.
Osgood erreichte ein Hochplateau. Vor ihm lag ein Dorf, ein ganz außergewöhnliches Dorf. Der kleine Flecken, durch den er eben gefahren war, kam ihm im Vergleich zu diesem Dorf so modern wie beispielsweise New York oder Kioto vor.
Häuser aus dunkelbraunem Holz säumten die Straße, die kaum breiter war als ein schmaler Pfad.
Die Straße bestand aus Steinplatten oder vielleicht auch nur aus behauenen Flußsteinen. Er parkte den Wagen am Dorfeingang.
Osgood stieg aus, machte sich aber nicht die Mühe, den Wagen abzuschließen. Der Kofferraum, wo er seine Habseligkeiten verstaut hatte, war verschlossen. Er war der Meinung, daß diese Ninjas, wenn sie auch nur halb so geschickt waren, wie behauptet wurde, sich durch eine verschlossene Autotür nicht abhalten lassen würden.
Am anderen Ende der Straße, ungefähr 450
Meter weiter, befand sich eine von hohen Mauern umgebene Enklave. Die Architektur, die hinter den Mauern aufragte, war eindeutig buddhistisch: schräg aufsteigende, gewölbte und spitz zulaufende Ziegeldächer, die an jeder Ecke mit einem Symbol verziert waren. Unterhalb des Hauptdaches, befand sich noch eine Art zweites Dach.
Osgood ließ den Knopf seines Ledersakkos offen, obwohl er bezweifelte, daß ihm das helfen würde, schnell genug an seine Waffe heranzukommen. Gonroku Umi hatte ihm erzählt, daß in dieser Enklave eine Gemeinschaft von Ninjas lebte. Sie bestellten das Land und produzierten handwerkliche Erzeugnisse, die sie im Tal verkauften. Mit den erzielten Einnahmen kauften sie all die Dinge, die sie nicht selbst herstellen oder anbauen konnten. Hier schien in der Tat die Zeit stehengeblieben zu sein. Er ging genau in der Mitte der Straße auf den schachbrettartig angeordneten Steinplatten entlang. Weder Telefonleitungen, Lichtmasten, noch sonstige Anzeichen ließen erkennen, daß es auch eine Welt außerhalb dieser Gemeinschaft gab.
Nachdem er ein Drittel des Wegs zurückgelegt hatte, hörte er von links das Zischen eines Schmiedeofens. Er drehte sich um. Neben einem Haus, das aussah wie alle anderen auch, befand sich ein zurückgesetzter Anbau. Eine Wand war offensichtlich herausgeschlagen worden. Ein alter Mann in einem weißen Gewand und mit einem schwarzlackierten eboshi- Hutbrachte über einem Kohleofen Stahl zum Glühen. Er stand auf und wie auf ein Stichwort hin nahmen zwei jüngere Männer, die in der Nähe des Schmiedeofens standen, das Stahlstück und begannen es zu behauen. Die Hammerschläge dröhnten durch die Kühle des Mittags.
Sie stellten eine mehrfach gehärtete Schwertklinge her. Er fragte sich, wie viele Schichten diese Klinge am Ende haben würde.
Welche Art von Schwert würde daraus entstehen?
Ein Murama-sa-Schwert oder aber eines von der Art des legendären Schmieds Masamune? Der Sage nach hatte einmal ein Mann die Schärfe einer von Muramasa hergestellten Klinge testen wollen.
Zu diesem Zweck steckte er das Schwert in einen Fluß. An diesem Fluß stand ein Baum, seine Blätter fielen in das Wasser und wurden von der Strömung fortgerissen. Wenn eines dieser Blätter mit der
Weitere Kostenlose Bücher