Das Yakuza-Mal
Vorschein.
»Hm...« sagte er gedehnt. »Osgood-san möchte also etwas über die Ninjas erfahren, die für die Yakuza arbeiten.« Er sagte das Wort Yakuza so, als sei es ihm unangenehm, dieses Wort in den Mund nehmen zu müssen. Osgood fand das ermutigend. »Gonroku Umi versicherte mir, daß Tsukahira-san seine Hände nicht mit solchen Menschen beschmutzen würde.«
»Gonroku-san hat die Wahrheit gesagt, Osgood-san. Kommen Sie, gehen wir ein paar Schritte und unterhalten uns.«
»Ja«, sagte Osgood zustimmend. Er ging zu Tsukahiras Linken, wie es einem jüngeren Offizier im Beisein eines Ranghöheren gebührte. Osgood studierte Tsukahiras Gesicht. Es schien Vornehmheit, Bestimmtheit, Entschlossenheit auszustrahlen. Er mußte weit über achtzig sein, wirkte aber kaum älter als fünfzig. Die Haut seiner feingliedrigen Hände und seines ziemlich langen Halses war straff. Sie spazierten auf einem sehr sauber gehaltenen Kiesweg, der um den Teich herumführte. Auf der anderen Seite sah man einen weiteren überdachten Durchgang.
»Ich weiß selbstverständlich, was das Wort Yakuza bedeutet. Aber ich habe noch nie mit solchen Menschen zusammengearbeitet. Es wäre ein Verrat an meinem Glauben und an denen, die mir dienen und denen ich meinen Glauben zu vermitteln suche. Ich habe Gonroku-san während des Krieges kennengelernt. Damals haben ich und meine Ninjas im Dienste Japans gekämpft. Erst durch honsho ... Wie sagt man auf Englisch?«
»Charakterstärke, innere Stärke.«
»Hai — erst die Charakterstärke eines Mannes macht ihn zum Ninja. Die Fertigkeiten, die er beherrschen muß, entspringen allein dieser Charakterfestigkeit. Menschen zu dienen, die wie die Yakuza die Schwachen und Hilflosen ausbeuten, würde der wahren inneren Stärke ganz entschieden widersprechen.«
»Ich weiß, es ist sehr unhöflich, dies zu fragen, und die Antwort müßte mir ins Auge springen, aber ich bin zu blind, sie zu sehen: Was macht ihr?«
Osgood war sich darüber im klaren, welche Gefahr in dieser Frage steckte.
Tsukahira antwortete prompt mit einer Gegenfrage. »Was machen Sie, Osgood-san?« Er blieb stehen und lächelte.
»Ich ... äh ... ich dachte, Gonroku-san hätte ... äh
...«
»Sie sind wie wir. Das ist alles, was Sie wissen müssen.« Er ging weiter. Eine Brise strich über den Teich, kühl, aber angenehm. Als sie auf der anderen Seite des Teichs ankamen, wo sich der zweite überdachte Durchgang befand, hörte Osgood Kampfgeräusche - jene Art von Geräuschen, die einer längst vergangenen Zeit angehörten oder aber von ähnlicher Art, wie er sie vorige Nacht gehört hatte.
Im Weitergehen sagte Tsukahira zu ihm: »Sie sind zu mir gekommen, um mich im Namen eines Mannes um Hilfe zu bitten, der sowohl ein ehemaliger Kamerad als auch ein Mann ist, den ich sehr schätze. Daher werde ich Ihnen gegenüber genauso aufrichtig sein und Ihnen Rede und Antwort stehen, wie ich es ihm gegenüber auch tun würde. Die Ninjas, die Sie meinen, gibt es nicht.«
»Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen, Tsukahira-san.« Sie betraten den Durchgang.
»Osgood-san. Es gibt Männer, die sich Ninjas nennen. Tsukiyama Koji gehört zu dieser Sorte von Männern. Er ist der Anführer einer kriminellen Bruderschaft, die sehr viel von den Ninjas übernommen hat, die aber keine Ninjas sind. Es gibt immer Leute, die das pervertieren, was sie zu erreichen suchen. Er gehört zu diesen Leuten. Er ist Sproß einer Familie, aus der seit Jahrhunderten Ninjas hervorgegangen sind. Tsukiyama wurde genauso erzogen, wie man jeden anderen Jungen seines Alters erziehen würde, der einer Ninja-Familie entstammt. Aber nach einiger Zeit stellte sich heraus, daß er sich für unseren Ehrenkodex nicht interessierte. Alles, was ihn interessierte, waren unsere Fertigkeiten. Verstehen Sie, was ich meine?«
Sie waren am anderen Ende des Durchgangs angekommen. Vor ihnen erstreckte sich ein riesiger, offener Hof bis zur gegenüber liegenden Mauer. Die Szenerie glich etwa der, die sich Osgood am vorigen Abend geboten hatte: Schwarzgekleidete Männer standen an beiden Längsseiten des Vierecks, in der Mitte kämpften zwei Männer gegeneinander. Diese Männer benutzten jedoch kein katana, sondern ein shinai, ein Schwert, das aus vier
Bambusstäben bestand, die von der sakigawa, einer Lederkappe an der Spitze, und einer tsuka-gawa, einer Lederscheide am Heft, zusammengehalten wurden. Hinzu kam die tsura, eine Schnur, die in ganzer Länge um das shinai gewickelt war, um
Weitere Kostenlose Bücher