Das Yakuza-Mal
Opfer im Gesamtgefüge überhaupt ausmachten. In beiden politischen Lagern hatte er tapfere Männer und Frauen gekannt. Ihr Leben und Sterben bot zuweilen Stoff für phantastische Abenteuergeschichten, ihre Aufträge wurden zu heroischen Taten hochstilisiert, aber meistens waren diese Leute selbst kaum von Bedeutung, außer für diejenigen, die sie persönlich kannten. Es wurde immer schwieriger, einen Auftrag richtig auszuführen. Alles, was Erfolg versprach, war dermaßen von gesetzlichen Bestimmungen oder religiösen Vorstellungen eingeschränkt, daß die tatsächliche Durchführung unmöglich wurde. Und in den seltenen Fällen, in denen sämtliche Hindernisse aus dem Weg geräumt waren und es nur darum ging, den Auftrag zu erledigen, koste es, was es wolle, mußte man sich vor dem prüfenden Blick politischer Opportunisten in Washington mehr in acht nehmen als vor dem allgegenwärtigen
nachrichtendienstlichen Netz des KGB in Moskau.
Und trotz allem war das Überleben Ellermanns für alle von außerordentlichem Interesse. Wenn nämlich Ellermann verloren war, konnte das Folgen nach sich ziehen, die kein vernünftiger Mensch sich auszudenken vermochte, die aber auch kein vernünftig denkender Mensch ignorieren konnte.
Osgood parkte den Jaguar vor einer Telefonzelle und stapfte hinaus in den Regen. Den Kragen seines navy-blauen Trenchcoats hatte er hochgeschlagen.
Er ließ sich vermitteln und wartete.
Eine Stimme meldete sich.
»Osgood am Apparat. Notieren Sie sich folgende Adresse.« Er las die Adresse des Clubs vor, in dem Ikuta Chie arbeitete. »Wir treffen uns in einer halben Stunde zwei Häuserblocks nördlich davon.
Ich sitze in einem metallic-grauen Jaguar. Ich brauche das Foto einer Frau, die dort arbeitet.« Er nannte ihren Namen. »Bringen Sie mir das Foto.
Kommen Sie mit einem Schirm über die Straße gelaufen. Dann haben Sie Schwierigkeiten mit dem Schirm, und ich steige aus und helfe Ihnen. Sagen Sie auf Japanisch: >Sie sind ein sehr willkommener Gast in meinem Land.< Ich werde Ihnen antworten:
>Jeder Gast in Ihrem Land darf sich sehr glücklich schätzen.<«
Die weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung fragte: »Sonst noch was?«
Osgood zögerte. Den Namen Tsukiyama Kojis zu nennen setzte voraus, daß er der hiesigen Kontaktperson bedingungslos vertraute. Dem war nicht so. »Nein, das ist alles. Danke. Werden Sie mir das Foto beschaffen können?«
»Ich kenne mehrere Leute, die mir vielleicht helfen können. Eine halbe Stunde ist allerdings ziemlich knapp.«
Es schien noch stärker zu regnen. »Ja, das läßt sich leider nicht ändern. Ich habe noch weniger Zeit. Ich danke Ihnen. Entschuldigen Sie die Störung. Bis später.«
Er legte auf. Selbst unter seinem Trenchcoat war er naß bis auf die Knochen. Er stieg in den Jaguar ein, ließ den Motor aufheulen und sah auf seine Rolex, um die exakte Uhrzeit des Treffens zu bestimmen.
Andy Oakwood hatte sich eine dunkelgraue, wollene Freizeithose und einen Regenmantel angezogen, um den Kopf hatte sie ein graues Seidentuch geschlungen. Sie stand vor der offenen Telefonmuschel, Mulvaney schützte sie, so gut es ging, mit seinem Körper vor dem Regen. Seine Kleider waren zum zweitenmal an diesem Abend durch und durch naß.
»Hallo, Helen. Andy am Apparat.. .Nein, ich lebe noch ... Ja, du kannst mir einen Gefallen tun. Hast du Verbindungen zum Sittendezernat?... Na wunderbar. Ich brauche... Nein, das nicht.« Andy lachte. »Ein Mädchen namens Ikuta Chie.
Wahrscheinlich Mitte zwanzig ... Tut mir leid, aber mehr kann ich dir nicht sagen, Heien. Sie arbeitet im Garten der seligen Schönheit. Als Bardame, nehme ich an ... Vielleicht läuft ihr Apartment nicht auf diesen Namen. Versuch's mal mit dem Sittendezernat, vielleicht wurde sie ja schon mal festgenommen ... Aber schalte nicht die nationalen Polizeibehörden ein. Halt dich an die örtliche Polizei... Ich hab meine Gründe. Alles klar? Aber ich brauche ein Foto ... Irgendwas ... Ja. Ich ruf dich zurück. Es muß schnell gehen. So in zwanzig Minuten?«
Mulvaney fing an zu lachen. Oakwood legte auf.
»Wer ist Helen?«
»Die Sekretärin des Kommandanten der Militärpolizei. Wenn sie das Foto nicht auf treiben kann, dann kann es keiner.«
Sie rannten zurück zum Auto, um dem Regen zu entgehen. Er wollte das Risiko nicht eingehen, in ihre Wohnung zurückzukehren, daher fuhren sie durch die Gegend. Andy saß am Steuer. Der Regen trommelte so hart gegen das Dach, daß man glauben konnte, es
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