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Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanova
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Situationen, fühlte sich in der Rolle des Chefs sofort wohl und liebte es, alle und alles unter Kontrolle zu haben.
    Die Untersuchung dauerte vier Stunden. Dann wurde Jelenas Leiche in die Pathologie gebracht, wo bereits Walentina Sawarsina wartete. In der Küche, im Kellnerzimmer, im Keller, wo die Müllcontainer standen, und im Hinterhof des Restaurants dauerte die Durchsuchung noch an. Die Gäste wurden befragt, Adressen und Familiennamen notiert. Dann ließ man sie gehen, nur die Angestellten mussten noch bleiben. Anfissa und Mochow waren unter den Ersten, die das Restaurant verließen. Katja begleitete die Freundin bis zur Tür und sagte zum Abschied: »Ich rufe dich an.«
    »Ich rufe selber an«, erwiderte Anfissa. In ihren Augen lag ein seltsamer Ausdruck: eine Mischung aus Furcht, Erwartung und Neugier. Und noch etwas anderes, das Katja nicht zu deuten wusste, vielleicht auch gar nicht deuten wollte.
    Erst als Katja völlig erschöpft und müde wieder im Büro angelangt war, rief sie bei Walentina an.
    »Thalliumsulfat«, teilte ihr die Chemikerin kurz mit. »Diesmal eine besonders große Dosis. Der Zeitpunkt, zu dem das Gift in Magen und Verdauungstrakt gelangt ist, liegt zwischen 7 Uhr und 7 Uhr 30 morgens. Ehrlich gesagt, so etwas hatte ich bereits erwartet und befürchtet – dass es ein zweites Mal verwendet würde. Deshalb hatte ich dich, Katja, ja auch angerufen und um deine Unterstützung gebeten. Fälle von Vergiftung sind bei uns Gott sei Dank selten. Aber sie pflegen eine unerfreuliche Besonderheit zu haben.«
    »Nämlich?«, fragte Katja, obwohl sie die Antwort bereits ahnte.
    »Mit nur einem Mord ist es gewöhnlich nicht getan. Gift ist ja kein Messer und keine Pistole. Man kann es, wenn man es einmal zur Hand hat, sehr leicht weiter benutzen. Ich habe mir inzwischen genauere Informationen zu Thalliumsulfat beschafft. Es handelt sich um ein in der Industrie übliches Präparat. Verwendet wird es vor allem in Unternehmen, die mit Feingerätebau und Präzisionsoptik zu tun haben.«
    »Soll das heißen, so ein Gift hätte sich auch ein Fotograf besorgen können?« Katja stockte für einen Moment das Herz.
    ›Jeder, der sich professionell mit Fotografie beschäftigt, kann es sich besorgen. Aber Thallium ist kein Zyanid und kein Morphium, das jeder, der die Bücher von Agatha Christie gelesen hat, kennt. Es ist ein hochtechnologisches Präparat. Und in unserem Fall war vermutlich ein erfahrener Chemiker beteiligt oder zumindest eine Person, die beruflich mit dieser Substanz zu tun hat und ihre genaue Zusammensetzung und Wirkung kennt – und vor allem weiß, welche Dosis tödlich ist.«
    »Und was meinen Sie, wie kann man sich so ein Gift beschaffen?«
    »Wie beschafft man sich Sprengstoff oder angereichertes Uran?«, fragte Walentina mit einem unfrohen Lachen zurück. »Für Geld bekommt man heutzutage alles, was man will.«
    »In welcher Speise kann die Worobjowa das Gift zu sich genommen haben?«
    »Wir werden eine weitere histologische Untersuchung durchführen, die Ergebnisse bekomme ich morgen.«
    »Was hat der Pathologe gesagt – sie war schwanger, nicht wahr?«
    ›Ja, das steht fest. Ungefähr in der sechsten oder siebten Woche. Wer war sie überhaupt, wo hat sie gearbeitet?«
    »Sie war Kellnerin im selben Restaurant, in dem Studnjow vergiftet wurde«, sagte Katja.
    »Ich hoffe, Kolossow hat dieses Restaurant inzwischen geschlossen?«, fragte Walentina.
    »Ich weiß nicht, er ist noch nicht zurück.«
    »Wo hat er seine Gedanken? Wir haben jetzt schon zwei Fälle, in denen ein hochgefährliches Gift in einem Gastronomiebetrieb aufgetaucht ist! Wenn wir es nun mit so einem verrückten Serienmörder zu tun haben, was dann? Wen wird er morgen vergiften?«
    »Was glauben Sie, Walentina Tichonowna, könnte es auch eine Frau getan haben?«
    »Ohne weiteres. Unter der Voraussetzung natürlich, dass sie Zugang zu diesem Präparat hatte. Außerdem, das sagte ich ja schon beim letzten Mal, hat Thallium einen Beigeschmack, man kann es dem Opfer nur in einer Speise geben, die diesen Beigeschmack irgendwie überdeckt. Dieses Restaurant, was ist das für eins? Welche Küche?«
    »Marokkanische«, antwortete Katja. »Komplizierte Gewürzmischungen. Ich hatte zufällig heute selber Gelegenheit mich zu überzeugen, wie ungewöhnlich, exotisch und scharf dort alles schmeckt.«
    »Du hast dort gegessen?!«
    ›Ja, wieso? Was wollen Sie damit sagen, Walentina Tichonowna?«
    »Nichts. Das heißt, doch . . .

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