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Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanova
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Und da traf sie ein neuer Schlag.«
    »Mochow?«
    »Genau. Der arme Kerl hat gar nichts Konkretes gewusst. Aber genau wie Simonow hatte er gesehen, dass an jenem Abend Studnjow von dem Fisch aß, der eigentlich für Aurora bestimmt war. Er hatte auch gesehen, dass dieses Gericht der Sängerin von Jelena Worobjowa serviert worden war. Und nachdem die Kellnerin vor den Augen aller im Speisesaal zusammengebrochen und gestorben war . . .«
    »Da hat Mochow etwas geahnt?«
    »Er hat sich seltsam benommen«, sagte Nikita. »Ich habe damals ja noch mit ihm gesprochen, im Restaurant, meine ich, nachdem Jelena fortgebracht worden war, aber er wollte mir nicht sagen, was ihn beunruhigte. Zwei wichtige Dinge hat er gewusst: dass das vergiftete Essen in Wirklichkeit für Aurora bestimmt gewesen war und dass Aurora Mitbesitzerin des ›Al-Maghrib‹ war. Mochow beschloss, die finanzielle Situation des Restaurants zu überprüfen. Er kam zu dem Ergebnis, dass Auroras Anteil so hoch war, dass das Restaurant nicht überlebensfähig war, wenn sie ihn aus dem Geschäft herausziehen würde. Aber Mochow kannte Maria schon sehr lange, er schätzte sie, war ihr Freund. Allein der Gedanke, dass sie mit all dem etwas zu tun haben könnte, erschien ihm fantastisch. Sein Verdacht richtete sich auf Simonow – er wusste nämlich, dass der ein Verhältnis mit Jelena hatte. Mochow glaubte, Simonow treibe irgendein gefährliches Spiel mit Maria und diese könne sein nächstes Opfer werden. Deshalb wollte er so schnell wie möglich mit ihr über seinen Verdacht sprechen . . .«
    »Mit Maria?«
    »Ja, leider. Sie lud Mochow sofort auf die Datscha nach Malachowka ein. Dort erzählte er ihr alles, und damit war sein Schicksal besiegelt. Die Potechina wollte auf keinen Fall riskieren, dass er noch jemand anderem von seinem Verdacht erzählte. Er bekam seine Dosis Thallium gleich an Ort und Stelle im Kaffee, den sie mit allerlei Gewürzen nach einem marokkanischen Rezept für ihn kochte. Nun, und dann war die Reihe an Aurora, die noch immer beabsichtigte, ihren Anteil aus dem Geschäft herauszunehmen. Maria stellte ihr eine Falle und lockte sie nach Malachowka. Als es trotz der dreifachen Dosis Gift im Kaffee nicht klappte, griff sie nach dem ersten besten Gegenstand, der ihr in die Hände kam. Aurora ist dem Tod nur um Haaresbreite entgangen. Wenn ihr beide, Anfissa und du, nicht rechtzeitig auf dieser verfluchten Datscha eingetroffen wärt, hätten wir jetzt noch eine Leiche mehr.«
    »Aber was hatte sie mit Aurora vor?«, fragte Katja. »Wieso hat sie versucht, sie im Kofferraum zu verstecken?«
    »Nicht weit entfernt von der Datscha befinden sich die Kraskower Sandgruben. Dort wollte sie den Wagen mit der Toten hineinstürzen – sie war ja überzeugt, dass Aurora tot sei – und so einen Unfall vortäuschen.«
    »Die Frau ist wahnsinnig«, sagte Katja.
    »Keineswegs. Man hat sie im Serbski-Institut psychiatrisch untersucht. Aus medizinischer Sicht ist sie vollkommen normal.«
    Dieses denkwürdige Gespräch lag einen Monat zurück. Jetzt kam Kolossow gerade wieder aus der »Matrosskaja Tischina«, wo Maria Potechina in Untersuchungshaft saß.
    »Hallo, Nikita«, grüßte Katja, »wie sieht’s aus?«
    »Normal.« Er wirkte sehr müde.
    »Ist schon Anklage erhoben worden?«
    ›Ja.«
    »Und? Wie . . . wie geht es ihr?«
    Er winkte nur ab. Man sah ihm an – die Sache ging ihm an die Nieren.
    »Sie hat mich gebeten, ihren Sohn Gleb herzubestellen und ihm etwas zu übergeben.« Kolossow knöpfte seine Jacke auf und nahm aus der Innentasche einen nicht verschlossenen Umschlag. »Diesen Brief.«
    »Hast du ihn gelesen?«
    Er nickte. Die Dienstvorschrift verpflichtete ihn, genau wie die Wache, den Untersuchungsführer und die Ermittler, alle Briefe aus dem Gefängnis zu lesen. Deshalb wurden diese Briefe nicht zugeklebt.
    »Und was schreibt sie?«
    Aber er winkte wieder nur ab, und Katja merkte, es war besser, sie fragte nicht weiter nach.
    »Ich bin vor kurzem am ›Al-Maghrib‹ vorbeigekommen«, sagte sie nach einer Pause. »Alles dunkel, verrammelt und verriegelt. Eigentlich schade . . .«
    Sie verabschiedeten sich am Eingang zum Präsidium. Katja fuhr nach Hause, Nikita ging zurück in seine Abteilung -er musste noch seinem Chef Bericht erstatten. Aber daran dachte er nicht, während er die Treppe hochstieg. Auch nicht an Katja. Er dachte an die Tauben im »Al-Maghrib«, die wie lebendiges Spielzeug in ihren Käfigen gesessen hatten. Was war wohl

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