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Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanova
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davor zu sehen, wie eine Frau isst.«
    »Die Männer sehen dabei auch nicht besser aus«, entgegnete Katja. »Hast du dich denn mit Studnjow dann noch ausgesprochen?«
    »Nein, wozu? Was hätte er mir schon sagen können? Seine Wette hatte er ja gewonnen.«
    »War er wirklich so ein Dreckskerl, nichts weiter?«
    »Er war . . . Er war eben ein echter Mann, Katja.« Anfissa kaute und sprach daher etwas undeutlich. »Jedenfalls so, wie ich mir echte Männer vorstelle. Sie können mit uns machen, was sie wollen, verstehst du? Und Gewissensbisse haben sie nie. Ich habe schon daran gedacht, mal so eine Fotoserie zu machen – MÄNNER. So, wie sie eben sind . . . Man kann sie nicht einmal dafür hassen, das ist eben ihre Natur, nackt und unbeschönigt.«
    »Sie können mit uns machen, was sie wollen? Und wir? Und du?«
    »Ich? Glaubst du etwa, ich hätte ihm das Gift gegeben? Ach, Katja . . . Noch vor ein paar Monaten habe ich davon geträumt, ihn umzubringen. Allerdings wollte ich ihn mit dem Auto überfahren, platt machen, zerquetschen. Das alles hat so in mir gebrannt. Aber plötzlich ist es durchgebrannt – wie eine kaputte Glühbirne . . . Halt, warte, das darfst du nicht einfach so essen, dazu musst du diese Sauce nehmen.«
    »Mein Gott, ist die scharf!« Katja blieb von der Sauce die Luft weg, sie griff nach dem Saftglas. »Da kommen einem ja die Tränen.«
    »Dafür weißt du jetzt, wie man in Marokko isst. Lena, bring uns doch noch einen Saft und den Nachtisch gleich dazu!«, rief Anfissa durch den Saal.
    »Und an diesem Freitag, als ihr hier alle zusammen gesessen habt, hast du da mit ihm gesprochen?«, wollte Katja wissen. In ihrem Mund brannte es wie Feuer.
    »Hätte ich das tun sollen? Was hättest du denn an meiner Stelle gemacht?«
    »Ich weiß nicht, Anfissa. Vielleicht hätte ich nichts gesagt, aber vielleicht hätte ich ihm auch eine Flasche über den Kopf gehauen.«
    »Bravo. Du trägst die Schulterklappen eines Hauptmanns nicht umsonst.« Anfissa lächelte traurig. »Weißt du, Katja, eigentlich wollte ich gar nicht zu diesem Essen.« Sie tunkte eine Garnele in die Pfeffersauce. »Aber Aurora selber hat mich angerufen. Sie deutete an, vielleicht hätte ich wieder mal Zeit, Fotos von ihr zu schießen. Sie macht ja jetzt in der Presse kräftig Stimmung gegen ihren Ex-Mann Gussarow -spielt den Unschuldsengel, die verlassene Ehefrau, das Opfer männlicher Gewalt und Willkür. Die Schöne und das Biest. . . Sie wusste nur zu gut, dass sie mich damit ködern konnte, worauf ich sofort hereinfallen würde – männliche Gewalt und Willkür . . . Na, eigentlich konnte sie ja auch nichts dafür. Manchmal tat sie mir sogar Leid. Ich wusste schließlich, was für ein Goldstück sie sich mit Max geangelt hatte. Wahrscheinlich hat er sie auch nicht viel besser behandelt, er konnte gar nicht anders, als Frauen schlecht zu behandeln. Also sie hat mich zu dem Essen eingeladen -ein Abend im Freundeskreis, hat sie gesagt, eine gemütliche Runde am Kamin und vertraute Gespräche bei Kerzenschein.«
    »Ihr Mann Gussarow war doch an jenem Abend nicht dabei?« Diese Frage stellte Katja absichtlich.
    »Nein, er kommt jetzt nicht mehr her. Aber früher war er im ›Al-Maghrib‹ oft zu Gast. Er kannte auch Marias früheren Mann sehr gut. In Moskau kennt mittlerweile jeder jeden, alle machen gemeinsame Geschäfte . . . Aber er hat Aurora angerufen. Ich weiß nicht, worum es ging, sie stand sofort vom Tisch auf und ging weg, und als sie zurückkam, hatte sie einen Gesichtsausdruck . . . Sie sah aus, als sei sie zu Tode erschrocken. Ich hatte gleich so eine schlimme Vorahnung. Es war falsch, herzukommen, habe ich mir gesagt, ich hätte es nicht tun dürfen. Und wie du siehst, hatte ich Recht. Jetzt zitiert man mich wahrscheinlich zu euch, nicht wahr?«
    »Man wird dich vorladen. Zur Miliz und zur Staatsanwaltschaft.«
    »Und du, hilfst du mir, wenn ich dich brauche?«
    »Ich helfe dir, Anfissa«, antwortete Katja. »Ich begreife nur noch nicht richtig, was hier eigentlich geschehen ist.«
    »Wer Max vergiftet hat, meinst du? Wer anders als die arme, dumme, betrogene Anfissa? Ich hab dir doch gesagt: Ich wollte ihn umbringen! Aber nicht so. Ich wollte ihn mit dem Auto platt fahren. Wie eine Ratte.«
    »Kannst du überhaupt Auto fahren?«, brummelte Katja spöttisch.
    »Nein. Ich wollte es immer lernen, aber hatte nie Zeit.«
    »Anfissa, ciao! Da bist du ja, ich wusste doch, dass ich dich hier finden würde.«
    Ein fülliger,

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