Das Zauberer Handbuch
wollen. Kreativität lässt sich eben nicht einfach abstellen, wenn man ein bestimmtes Alter erreicht hat.
Alles in allem genießen Autoren gegenüber anderen Freiberuflern durch die KSK den Vorteil, die wichtigsten Absicherungen vergleichsweise günstig vornehmen zu können. Der Gedanke, der dahintersteht, ist der, dass eine Gesellschaft ohne Künstler eine ärmere Gesellschaft wäre und man auf diese Weise von staatlicher Seite alle kreativ Tätigen fördern will – eine tolle Einrichtung, von der wir bei allen Risiken und Nachteilen als freie Autoren profitieren.
Epilog
Jenseits des Tageslichts, das senkrecht durch die Öffnung in der Höhlendecke fiel, konnte Granock sie schemenhaft erkennen – eine Kreatur wie aus einem Albtraum.
Weiße, fast durchsichtige Haut überzog einen gedrungenen, knochigen Körper, der auf kräftigen, nach hinten gebogenen Beinen ruhte. Die Arme waren beinahe doppelt so lang und endeten in mörderischen Fängen, an denen blutige Fleischreste hingen. Der Kopf der Kreatur glich einem Helm mit geschlossenem Visier – eine fliehende Stirn unterhalb derer acht senkrecht verlaufende Schlitze klafften. Die äußeren vier öffneten und schlossen sich unaufhörlich und stießen feuchten Dampf aus, weshalb Granock folgerte, dass es sich um Atemorgane handeln musste; bei den übrigen Öffnungen schien es sich um Augen zu handeln, die schwarz glänzten und den Zauberer blutlüstern taxierten. Darunter klaffte ein breites Maul, von dessen an eine Säge erinnernden Zähnen weißlicher Geifer troff – und das sich in diesem Augenblick so weit öffnete, dass es einen Menschen mühelos hätte verschlingen können. Ein Zischen wie von tausend Schlangen erfüllte die Höhle, dann setzte die Kreatur auf ihren kurzen Hinterbeinen heran und schnellte auf Granock zu.
Der Zauberer stand wie versteinert, das Schwert in der einen, den nutzlos gewordenen flasfyn in der anderen Hand. Keines von beidem schien geeignet, dem Monstrum zu trotzen, und Granock dämmerte, dass dies das Ende sein würde.
Das Ende seines Daseins – und damit auch allen Schmerzes.
Erinnerungen glommen blitzartig in der Dunkelheit auf, Bilder von Weggefährten, von Freunden und geliebten Menschen, die er verloren hatte.
Und von ihr …
Als Alannahs Bild vor seinem geistigen Auge auftauchte, fühlte Granock erneut den Schmerz, und er sehnte das Ende beinahe herbei, das sich ihm in Gestalt des Höhlenmolochs entgegenwarf …
… doch es kam anders.
Rasend vor Blutdurst und Rachsucht achtete die Kreatur nicht auf den Lichtstrahl, der von oben in die Höhle einfiel. Mit den langen Armen rudernd, schoss sie nach vorn, geradewegs durch den hellen Schein – und erstarrte, beinahe so, als hätte Granock einen seiner Zeitzauber gewirkt.
Der Zauberer brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es das Licht war, das die Kreatur der Dunkelheit erfasst hatte und ihre Bewegungen hemmte.
Und er brauchte einen zweiten Moment, um sich darüber klar zu werden, dass dies nicht der Tag war, an dem er sterben würde … noch nicht. Ganz offenbar war seine Zeit in Erdwelt noch nicht vorüber, war er zu etwas anderem bestimmt als dazu, in einer alten Zwergenhöhle von einem rasenden Monstrum getötet zu werden.
Entschlossen trat er vor, das Schwert erhoben – und noch ehe der Moloch reagieren oder auch nur zurückweichen konnte, hatte Granock ihm die Klinge bis zum Heft dort hineingerammt, wo er das Herz vermutete. Wenn abscheuliche Kreaturen wie diese überhaupt ein Herz besaßen.
Die lotrechten Schlitze weiteten sich, Verständnislosigkeit sprach aus dem ersterbenden Blick der Kreatur. Granock hasste es, Leben zu nehmen. Es war ein Vergehen an der Natur und es widersprach den Schwüren, die er als Weiser von Shakara einst geleistet hatte – doch trotz des Schmerzes, den er fühlte und der ihn an manchen Tagen zu überwältigen drohte, war sein Überlebenswille stärker gewesen.
Vielleicht, weil er ahnte, dass dies noch nicht alles gewesen war. Vielleicht, weil er hoffte, sie eines Tages noch einmal wiederzusehen.
Alannah …
Mit einem Keuchen kippte das Höhlenmonstrum von den Beinen, die Klinge tief im Körper. Schwerfällig zuckte es, dann blieb es ausgestreckt liegen. Das Ungeheuer, das die Zwerge von Grundal in Furcht und Schrecken versetzt, das ihre Bergwerke überfallen und durch die Minen bis in ihre Festung vorgedrungen war, war tot.
Jenseits des Lichtscheins, dort, wo die Kreatur auf Granock gelauert
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