Das Zaubergift
beleidigen.
Hauptmann Rallig kratzt sich am Kopf. Es ärgert mich, dass er anscheinend nicht das kleinste graue Härchen hat. Mein Haar ist genauso lang wie seins, aber es sieht allmählich strähnig aus. Andererseits ist mein Schnurrbart immer noch erheblich eindrucksvoller als seiner – übrigens immer schon.
»Thraxas, wie wäre es, wenn du mich in die Einzelheiten der Geschichte einweihst. Ich meine, nur für den Fall, dass wir hier lebendig herauskommen, und für den noch unwahrscheinlicheren Fall, dass ich dich nicht sofort in den Kerker werfe, weil du das Gold des Königs vor der Garde versteckt hast. Ich bin eigentlich nur vorbeigekommen, um dir mein Beileid zum Tod deiner Freundin auszusprechen. Dass ich bei dir die halbe Unterwelt der Stadt und einen Haufen Kampfmönche vorfinden würde, die sich um einen gestohlenen Schatz balgen, habe ich nicht erwartet, sonst hätte ich ein paar Leute mitgebracht. Ich vermute, dass dies alles mit dem Mord an Rodinaax zu tun hat?«
»Natürlich. Es ist höchst komplizierte Angelegenheit. Ich will sie für Euch etwas vereinfachen. Diese beiden Mönchsorden rivalisieren miteinander. Vexial der Sehende ist der Abt des Sternentempels, und der Ehrwürdige Heretius steht dem Wolkentempel vor. Sie kämpfen gegeneinander, und zwar teilweise wegen religiöser Unstimmigkeiten, aber hauptsächlich, um zu klären, wer von ihnen die Nummer eins ist. Wahrscheinlich schlägt einem das einsame Leben in den Bergen irgendwann auf das Gemüt. Erinnert Ihr Euch daran, wie heiß es damals gewesen ist, als wir die Niojaner an dem Pass aufgehalten haben?«
»Verschon mich jetzt mit irgendwelchen Niojanern an irgendeinem Pass. Was ist mit den Mönchen los?«
»Sie haben, wie gesagt, hauptsächlich miteinander gekämpft. Und dann haben sie sich gespalten. Daraufhin fehlte plötzlich beiden Tempeln eine Statue. Was Vexial den Sehenden auf eine sehr gute Idee brachte. Er wollte die Statue stehlen, die Rodinaax gerade für Turai anfertigte, damit er Heretius so überlegen wäre und vielleicht sogar die Mönche des Wolkentempels dazu bewegen könnte, zum Sternentempel zurückzukehren. Doch dann kam Sarin die Gnadenlose mit einer noch viel besseren Idee zu Vexial. Sie kannte Präfekt Tholius noch aus der Zeit, als sie Boah in die Stadt schmuggelte. Tholius nahm Bestechungsgeld von ihr, damit er beide Augen zudrückte, eine durchaus übliche Praxis unter den Bonzen unserer Stadt. Euch selbst ausgenommen, natürlich. Ob die ursprüngliche Idee von Tholius oder Sarin stammt, weiß ich nicht. Aber einem von beiden ist aufgefallen, dass die Route der Goldtransporte aus den Minen des Königs recht nahe an Vexials Kloster vorbeiführt.
Diese Route war natürlich ein streng gehütetes Geheimnis. Die Strecken und die Zeiten wurden nur in magiesicheren Räumen besprochen, die zu diesem Zweck extra vom Roten Elfentuch geschützt wurden. Aber Präfekt Tholius hat offenbar gute Kontakte zum Palast und erfuhr so, für wann der nächste Transport geplant war. Er gab die Einzelheiten umgehend an Sarin weiter, die sie wiederum flugs Vexial überbrachte. Also überfielen die Mönche vom Sternentempel den Goldtransport und meuchelten dabei die Wachen.
Und dann hatten sie eine wirklich brillante Idee. Statt mit dem Gold in den Bergen zu verschwinden, wo sie schon bald von den Palast-Zauberern aufgespürt worden wären, brachten sie das Gold direkt nach Turai und versteckten es in Rodinaax’ Statue. Euch ist doch klar, wie sicher es dort war?«
»Aber natürlich.« Schlauer Bursche, unser Hauptmann Rallig. »Kein Zauberer würde in einer Statue von Sankt Quaxinius nachsehen. Das wäre Blasphemie!«
»Genau. Der Plan war, das Gold so lange in der Statue zu belassen, bis sie am Schrein aufgestellt wurde. Wenn sich dann die Aufregung gelegt hätte, würde Vexial die Statue stehlen und das Gold herausholen. Wenn er die Statue wieder zusammensetzte, hatte er sowohl das Gold als auch eine neue Statue. Ich persönlich glaube, dass er sich über Blasphemie nicht allzu viele Sorgen macht.
Weshalb die Dinge dann auch schief liefen. Der Ehrwürdige Heretius nämlich hatte einen Spion im Sternentempel, und er entdeckte, was hier los war. Von da an war er ebenfalls hinter dem Gold und der Statue her. Der Wolkentempel griff den Sternentempel an, und dabei wurde Vexial beinah getötet. Er musste in die Stadt kommen, um sich wieder zu heilen. Mittlerweile hatte jedoch der Ehrwürdige Heretius herausbekommen, dass das Gold in
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