Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
begleiten, wo wir würden bleiben können, während man Vorbereitungen für die Reise traf. Es sei gefährlich für junge Frauen, sich ohne Diener in den Straßen zu bewegen, und wie sie sähen, hätten wir keine.
Natürlich nahmen wir ihre Hilfe an. Sie riefen ihre Kutsche herbei, sorgten dafür, dass unsere Truhen aufgeladen wurden und gaben dem Kutscher Anweisung, zum Kloster La Concepci ó n zu fahren. Don Miguel erklärte, er habe zwei Cousinen, die dort als Nonnen lebten, und als wir am Kloster ankamen, ließ er sie von einer Dienerin zum locutio holen.
Seine Cousinen waren zwei freundliche junge Nonnen, die uns herzlich willkommen hießen und meinten, wir müssten bleiben und uns ausruhen. In ein paar Tagen würde uns das Kloster mit Wagen, Fahrern und Wachen ausstatten. Wir fragten, warum es nötig sei, Wachen mitzunehmen, und erfuhren zu unserem Schrecken, dass die Reise gefährlich sei. Reisende würden oft von Banditen, entflohenen Sklaven oder abtrünnigen Einheimischen angegriffen, erzählte man uns.
Ein junges Dienstmädchen brachte uns zu einem Innenhof mit einem Brunnen in der Mitte. Sie zeigte auf das Quartier für Frauen, die das Kloster besuchten; dort gab es Zellen und Zimmer, die je nach Wohlstand und Rang zugeteilt wurden. Reiche Damen bekamen die besten Gemächer, die dunklen, schmalen Zellen waren für die Frauen von geringerem Ansehen bestimmt. Außerdem war da – sie zeigte auf einen vergitterten Teil des Gebäudes – ein Frauengefängnis. Der Innenhof war voll von Frauen, Kindern, Dienerinnen, weiblichen Anverwandten, die zu Besuch kamen, und Schoßhündchen. Im Schatten beim Brunnen übten zwei Mädchen auf einer Laute und einer Gitarre.
Wir bekamen ein schlichtes, weiß getünchtes Zimmer mit vier Schlafstellen und grober Wäsche auf den Betten. Das Dienstmädchen brachte uns Waschwasser mit Rosenblättern und bestand darauf, die Kleider, die wir auf der Reise getragen hatten, in die Wäscherei zu bringen. Als sie sie wegbrachte, zog sie die Nase kraus. Wir wuschen uns und zogen frische Kleider an und dann kehrte das Dienstmädchen zurück, um uns zu einem Teil des Refektoriums zu bringen, wo bereits andere Besucherinnen an langen Tischen Platz genommen hatten. Wir nahmen uns Fisch, kleine flache Kuchen aus grobem gelbem Mehl und seltsame Gemüsearten in einer scharf gewürzten Soße. Die Soße war so feurig, dass wir husteten und nach Atem rangen, doch merkwürdigerweise empfanden wir danach die Luft nicht mehr als so drückend.
Am Tisch saßen zwei ältere Damen, die uns neugierig anstarrten, also wagte ich, sie anzusprechen, und fragte sie, ob sie unsere Retter, Don Miguel und Don Tom á s, kannten. Erschrockene Ausrufe und Augenrollen waren die Antwort. Don Miguel Aguilar, so sagten sie dann, sei ein wohlhabender Witwer. Ein sehr stolzer Mann, ein cacique . Wir wussten nicht, was sie damit meinten, doch bevor wir fragen konnten, hoben sie warnend den Finger und sagten, wir sollten uns vor Don Tom á s Beltr á n in Acht nehmen, der Don Miguels Patensohn sei. Don Tom á s – und hier wurden ihre Gesichter lang vor Missbilligung – hat einen schrecklichen Ruf. »Ein reicher junger Mann, jedoch lasterhaft und zügellos«, flüsterte eine der Damen. »Er geht in Tavernen und Bordellen ein und aus. Er bringt seine Mutter zur Verzweiflung.«
»Sein Vater ist vor einem halben Jahr gestorben und Tom á s ist der älteste Sohn. Er sollte seine Aufgaben als Familienoberhaupt übernehmen«, fügte die andere hinzu, »doch bisher zeigt er keinerlei Neigung, seiner Pflicht nachzukommen. Seine Mutter ist sehr darauf bedacht, dass er heiratet, sie hofft, dass ihn die Ehe sesshafter werden lässt. Und sie ist eine recht entschlossene Dame! Wie man sich erzählt, hat sie eine gute Partie für ihn arrangiert, mit einem Mädchen aus einer spanischen Familie. Nicht gerade hübsch, aber mit einem guten Stammbaum. Don Tom á s hat die Pflicht, mit einem legitimen Erben den Fortbestand des Geschlechts zu sichern. Bis jetzt hat er lediglich für Mestizenbastarde gesorgt, und zwar reichlich!« Hier schüttelten beide Damen wieder den Kopf und schnalzten missbilligend mit der Zunge.
Marisol schwieg, doch ich sah ihr an, dass sie dem Gespräch aufmerksam folgte.
Einige Tage später dankten wir den freundlichen Nonnen für ihre Gastfreundschaft und brachen gut erholt auf. Zusammen mit einer Laienschwester des Klosters, einer Frau mittleren Alters, die uns auf unserer Reise begleiten sollte, fuhren
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