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Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Titel: Das Zeichen der Schwalbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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Frauen mit flachen Gesichtern und mit Babys auf dem Rücken, Wasserverkäufer mit Eimern an einem Joch, Blumenhändler, Kutschen und Sänften, in denen Damen in Musselinkleidern saßen, die im Wind flatterten. Ihre Diener trabten hinterher und versuchten, Schritt zu halten. Papageien und Affen hockten in Käfigen und schrien, Maultiere und Pferde hatten ihre liebe Not, sich durch die Menschenmenge zu kämpfen, und über allem hing unverkennbar der Geruch nach Fisch. Esel brüllten, Matrosen riefen in einer Vielzahl von Sprachen einander zu, einheimische Träger versuchten, Kunden zu werben, und in der Stadt läuteten unablässig die Kirchenglocken.
    Marisol lächelte. Wie schmerzhaft ist die Erinnerung an diesen Moment!
    Als die Laufplanke herabgelassen wurde, bahnte sich der Kapitän durch die Matrosen einen Weg zu uns, strahlend vor Erleichterung, dass die Reise vorüber war. Ich bin mir sicher, dass sein Bart grauer war als zu der Zeit, als wir in Sevilla aufbrachen. »Nun, meine Damen, bitte sehr. Willkommen in Spanischamerika!« Mit einer ausladenden Bewegung, als sei er der Herrscher über das Land, das vor uns lag, verneigte er sich und bedeutete uns, vor ihm die Laufplanke hinunterzugehen.
    Wir zögerten. Dann warf Marisol den Kopf zurück. »Also, kommt!«, sagte sie und ging voraus. Wir folgten ihr. Wie voll doch die Welt von Männern ist! Männer begafften uns unverhohlen und da es viel zu heiß für unsere Schleier war, fühlten wir uns wie entblößt und unbehaglich. »Diese Grobiane sind doch wohl nicht die Ehemänner, deretwegen wir hergekommen sind?«, murmelte Marisol, während dunkelhäutige Männer sie anlächelten, ihr zuzwinkerten oder sich vor ihr verbeugten. Wie Marisol es schaffte, nach unserer leidvollen Reise so hübsch auszusehen, war mir ein Rätsel. Ein unverschämter Bursche warf ihr eine Kusshand zu und rief etwas, das wir nicht verstanden, doch es war sicher etwas Dreistes. P í a ging dicht hinter Marisol, sie hielt den Blick gesenkt. Zum Glück hatte sie ihr Haar bedeckt, sonst hätte es einen Tumult gegeben.
    Sanchia klammerte sich an P í as Hand und sah sich aufgeregt um. Ich kam als Letzte und inmitten von so viel Betriebsamkeit und Leben und Farben fühlte ich mich sehr wie eine Beata in meinem braunen Gewand und mit den schweren Schuhen.
    Schließlich standen wir mit unseren Truhen am Kai und ich holte das Empfehlungsschreiben hervor, das die Äbtissin mir mitgegeben hatte und das wir bei unserer Ankunft vorlegen sollten. »Wir müssen zum Kloster der Heiligen Schwestern Jesu in den Anden«, sagte ich zum Kapitän. »Könnt Ihr uns sagen, wo wir es finden?«
    »Ah, so viele Klöster«, antwortete er und wies mit einer Hand in die Richtung, in der die Stadt lag. »Oft sind Klöster einfach unter dem Namen bekannt, den die Leute hier ihnen gegeben haben.« Er schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. Ich überlegte gerade, ob ich einen der Priester und Mönche fragen sollte, die sich durch die Menschenmenge drängten, als eine Stimme »Aus dem Weg!« brüllte und wir alle vier von einem großen Wagen zu Boden geschleudert wurden, der mit Früchten beladen war und von einem grob aussehenden, Peitsche schwingenden Mann gelenkt wurde.
    Zwei feine Herren in schwarzen Seidenanzügen eilten herbei, gefolgt von ihren Dienern. Sie halfen uns auf die Füße und da ich sah, wie sie unsere heruntergekommene Erscheinung und unsere schäbigen Gewänder betrachteten, die uns als Laienschwestern auswiesen, fand ich es angebracht zu erklären, dass wir zu einem Kloster unterwegs seien. Ob sie das Kloster kannten, das man Las Golondrinas nenne, fragte ich sie.
    Der Ältere der beiden, ein würdevoller Mann um die vierzig mit dunklen durchdringenden Augen, stellte sich selbst als Don Miguel Aguilar und den jüngeren als Don Tom á s Beltr á n vor. Don Miguel war höflich, doch bei dem jüngeren Mann handelte es sich um den frechen Burschen, der Marisol eine Kusshand zugeworfen hatte und der sie nun mit offener Bewunderung anstarrte und ihr zuzwinkerte. Marisol richete ihren verächtlichen Blick auf den Horizont.
    »Das Kloster der Schwalben, ja!« Zu meiner Bestürzung zeigte er in die Ferne, wo ich im Dunst nur Berge und weiße Bergspitzen erkennen konnte. Er erklärte, das Kloster befinde sich in einer schönen neuen spanischen Stadt, eine Wochenreise entfernt im Landesinneren. Don Miguel meinte, wenn wir erlaubten, würden sie uns zu einem anderen Kloster in der Nähe des Hafendamms

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