Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
erledige ich selbst«, sagte Sarah-Lynn. Die Hand, in der sie die Fotos hielt, zitterte leicht vor Aufregung. »Und die Gartenarbeit auch. Wir stellen eine Schaukel und eine Sandkiste im Garten auf, dann können die Nachbarskinder zum Spielen kommen. Und das ist ihr Zimmer.« Der Raum war weiß und rosa angestrichen, darin standen ein kleines Himmelbett und andere, mit Blumenmustern verzierte Kindermöbel. Es sah aus, als hätte jemand das gesamte Warenangebot eines Spielzeuggeschäfts im Zimmer verteilt. Da waren Stofftiere und Puppen und ein großes Puppenhaus, das eine ganze Ecke ausfüllte. »Ich hoffe, das ist in Ordnung so«, sagte Sarah-Lynn nervös. »Wir haben es ganz schnell hergerichtet, sobald wir wussten, dass die Adoption genehmigt wird. Ich habe vergessen, ein Foto von ihrem Badezimmer zu machen, aber es ist farblich auf ihr Schlafzimmer abgestimmt.«
»Sehr hübsch«, meinte die Oberin. Ein eigenes Badezimmer?
»Hier sind Bilder von unserer Stadt.« Die Oberin sah von Bäumen gesäumte Straßen, in denen jedes blitzsaubere Haus genau wie das Haus der Walkers von Rasen, Blumenbeeten und Bäumen umgeben war. Es gab ein Foto von der brandneuen Baptistenkirche ihrer Gemeinde, vom Platz im Stadtzentrum und dem altmodischen Gerichtsgebäude. Es sah ruhig und sicher aus. Außerdem waren da Bilder der örtlichen Grundschule und der Highschool, und beide Walkers betonten, dass ihre Tochter aufs College gehen würde. »Wir haben bei uns in Laurel Run ein richtig gutes Junior College, ein bisschen altmodisch und damenhaft, und bis zur nächsten staatlichen Universität sind es ungefähr dreißig Meilen. Und in Atlanta gibt es beinahe mehr Colleges, als man zählen kann. Ich selbst bin zwar das, was man einen Selfmademan nennen würde, aber unserem kleinen Mädchen werden alle Möglichkeiten offen stehen.«
»Mein Mann arbeitet hart. Er hat seinen Betrieb aus dem Nichts aufgebaut«, unterbrach ihn Sarah-Lynn stolz. »Anfangs, als wir geheiratet haben, war er Klempner und nun hat er eine Installationsfirma mit fünf Filialen. Überall werden seine Leute eingesetzt, bis hin nach Atlanta. Dort entstehen viele neue Wohngebiete. Achtzehn Angestellte hat er.«
»Hier, das ist einer meiner Wagen«, sagte Virgil, holte seine Brieftasche heraus und zog eine Visitenkarte hervor, auf der ein glänzender, schnittiger, dunkelgrüner Lieferwagen zu sehen war. In klassischer Schrift stand darauf: WENN DER WASSERHAHN TROPFT – VIRGILS DICHTUNGEN SIND PERFEKT . »Der Lateinlehrer an der Highschool ist ein alter Freund aus der Armeezeit – das war seine Idee.«
»Virgil, Schätzchen«, erinnerte Sarah-Lynn ihren Mann. »Erzähl ihr etwas über unsere Kirche.«
»Nun, Ma ’ am, wir gehören der Baptistengemeinde an, wir gehen jeden Sonntag zur Kirche und mittwochs abends zur Gebetsversammlung und zum gemeinsamen Abendessen, zu dem jeder etwas mitbringt.« Virgil fuhr fort, über die Ferienbibelschule zu erzählen und über die Jugendmannschaft, die er im Baseball trainierte, und über die Brownies, die Pfadfindergruppe für Mädchen – lauter Dinge, von denen die Oberin noch nie gehört hatte.
Plötzlich zuckten die Walkers erschreckt zusammen. Gewehrschüsse waren zu hören, dann eine Explosion. Sie kamen zwar nicht aus unmittelbarer Nähe, klangen aber näher als sonst.
Die Oberin nahm Isabelitas Akte. Darin waren auch die Zeitungsausschnitte abgeheftet. »Hier finden Sie alles, was wir über Isabelita wissen. Wir können nur spekulieren, wer ihre leiblichen Eltern waren – sehr wahrscheinlich stammten sie aus dieser Gegend und sie sind ganz sicher tot. Möglicherweise kamen sie aus einem der Fischerdörfer an der Küste oder sie haben versucht, mit dem Boot zu fliehen.«
Die Walkers nickten und Virgil nahm die Akte an sich. »Unsere Adoptionshelferin hat ganz besonders darauf hingewiesen, das Adoptivkinder wissen müssen, woher sie kommen. Vor allem, wenn es eine Adoption ins Ausland ist. Sonst kann das zu einem großen Problem werden, wenn sie älter sind. Also, wir werden ihr auf jeden Fall alles erzählen.«
Die Oberin nahm ein großes Paket, das auf ihrem Schreibtisch lag. »Ich verstehe. Und da so wenig über Isabelita bekannt ist, habe ich zwei Andenken, die wir ihr mitgeben möchten. Da ist einmal die Medaille, die sie bei ihrer Rettung um den Hals trug. In den Zeitungsausschnitten in der Akte werden Sie Fotos davon sehen. Wir waren sehr überrascht, als wir sie sahen, weil unser Kloster früher einmal eine
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