Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Politik und Religion nicht voneinander trennen kann. Und deshalb bettle ich schon so lange, dass ich eine Geschichte über euch und die Stiftung schreiben darf, weil ich über Krieg berichtet habe. Und mir ist klargeworden, dass ich über jemanden berichten muss, der versucht, einen Frieden anzuzetteln.«
»Mir ist alles recht, solange ich sitzenbleiben und die Füße hochlegen kann.«
»Okay, wie wär’s, wenn wir jetzt ein bisschen arbeiten?« Becky machte sich an ihrem Aufnahmegerät zu schaffen und verwünschte es, dann schlug sie fluchend mit der Faust darauf. Menina zuckte zusammen.
Ein rotes Lämpchen leuchtete. Becky bellte »Test« ins Mikrofon und als sie zurückspulte und auf »Abspielen« drückte, wiederholte das Gerät »Test«.
»Na, endlich! Fang einfach damit an, was dich auf den Gedanken mit den religionsübergreifenden Konferenzen gebracht hat. Bearbeiten können wir es dann später.« Sie drückte auf einen Knopf, stellte das Mikrofon zwischen sie und Menina sagte das, was sie schon so oft gesagt hatte.
»Nun, vor dem 11. September waren hier schon Leute aus unterschiedlichen religiösen Gruppen zusammengekommen, weil sie den Ort mit seiner besonderen Geschichte als etwas betrachteten, was sie alle gemeinsam hatten. Aber nach dem 11. September kam uns eine andere Idee. Hier ist so viel Platz, der gar nicht genutzt wird. Wenn wir die finanzielle Unterstützung auftreiben könnten, wäre es doch eine gute Sache, den Bilderzyklus von Mendoza als den Mittelpunkt eines religionsübergreifenden Zentrums zu nehmen. Wenn man sich die Parallelen ansieht, ergibt es durchaus einen Sinn: religiöse Intoleranz heute und religiöse Intoleranz im sechzehnten Jahrhundert. Die Menschen sind immer noch ebenso anti-muslimisch, anti-semitisch und anti-christlich, anti-katholisch und anti-protestantisch wie eh und je. Die unesco hat das Kloster dann schließlich zur Weltkulturerbestätte erklärt und wir konnten die erste religionsübergreifende Konferenz abhalten, ungefähr zu der Zeit, als du in den Irak gegangen bist. Es hat sich herumgesprochen und mehr und mehr Gruppen nehmen Kontakt zu uns auf. Unser Konferenzzentrum ist neutraler Boden, für alle.
Deine Formulierung ›einen Frieden anzetteln‹ gefällt mir sehr gut. Das ist genau das, was wir gerne machen würden, und dafür brauchen wir noch mehr finanzielle Unterstützung. Mit den ersten Fördermitteln wurden grundlegende Dinge finanziert – wir mussten Wände abstützten, Leitungen erneuern und neu legen und neue Unterkünfte für die Nonnen bauen. Immer wieder kracht irgendetwas ein und es tauchen auch immer wieder neue historische Gegenstände auf. Letztens hat jemand den Kamm einer Dame aus der Römerzeit gefunden. Mittlerweile ist auch der Raum fertig, in dem die Medaille ausgestelltwird – um diese Vitrine aufzukriegen, bräuchte es schon eine Atombombe! Es gibt Vergrößerungsgläser und Spiegel, man kann sie also wirklich genau ansehen. Dasselbe gilt für die Chronik. Die Sicherheitsvorkehrungen würden dem Pentagon alle Ehre machen und sie kosten eine Menge Geld. Im Shop kann man Übersetzungen von der Chronik und dem Evangelium kaufen, außerdem Nachbildungen der Medaille und Reproduktionen der Gemälde. Die Einkünfte aus dem Shop kommen den Nonnen zugute, die noch übrig sind. Wir haben Krankenpflegerinnen und eine Ärztin, die ebenfalls Nonnen sind und im Kloster leben, und so können wir ihren Wunsch erfüllen, im Kloster zu bleiben, auch wenn sie medizinische Hilfe brauchen.«
Becky rutschte ungeduldig in ihrem Liegestuhl hin und her und schaltete das Gerät aus.
»Und Sor Teresa?«
»Sie sieht ziemlich gebrechlich aus, aber sie ist nicht kleinzukriegen. Sie lässt es sich nicht nehmen, jeden Tag im Morgengrauen aufzustehen und polvor ó nes für das Café zu machen. Und sie weigert sich, sich an den Augen operieren zu lassen – sie meint, es sei Gottes Wille, dass sie nicht sehen kann, und zum Ausgleich scheint Gott ihr immer wieder neue Kraft zu geben. Die Kinder glauben, sie hat Zauberkräfte, weil sie ihnen gesagt hat, dass sie mit den Ohren sehen kann. So mürrisch sie auch sein mag, die Kinder lieben sie. An den meisten Tagen nehme ich sie für einen kurzen Besuch mit zu ihr.« Menina seufzte. »Sie hat immer ein paar gute Ratschläge zur Kindererziehung parat.«
»Das glaube ich gerne! Ich gehe nachher mal zu ihr«, meinte Becky. »Und jetzt muss ich noch ein paar Worte über die wunderbare Menina Walker de Fern á ndez
Weitere Kostenlose Bücher