Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Galán, Juni 2013
Becky hatte als Erste begriffen, dass das tatsächlich »erst der Anfang« war. Was Menina entdeckt hatte, war ein riesiges Projekt, das nur darauf wartete, angestoßen zu werden. Menina hatte sie angerufen und ihr gesagt, sie müsse alles stehen und liegen lassen und sofort nach Spanien kommen und die Geschichte ihres Lebens schreiben, und als sie ankam, erlaubte Sor Teresa ihr, im Kloster zu wohnen. Sie bekam eine Pilgerzelle neben der von Menina. Widerstrebend ließ sich Sor Teresa erweichen, das Tor aufzuschließen, damit Becky und Menina zum Essen ins Café gehen konnten. »Aber keine Männer«, wies sie Becky ebenso streng an, wie sie es zuvor bei Menina getan hatte. Becky folgte ihrer Freundin durch das Kloster und war außer sich vor Begeisterung, weil sie die Möglichkeit hatte, einen Exklusivbericht zu landen. Sie stellte sich eine Artikelserie in einer Zeitung vor und dann vielleicht ein Buch. »Oh, Kind des Lichts! Wenn irgendwelche männlichen Reporter davon Wind bekommen, haben sie eben Pech gehabt! Sie bekommen keinen Zutritt zum Kloster!«, rief sie schadenfroh. Es dauerte keinen Tag, da hatte sie eine Serie an die New York Times verkauft.
»Wahrscheinlich ist das erst der Anfang. Ich meine, sieh dir dieses Gemäuer an. Zuerst wollte ich nichts weiter, als den Nonnen ein bisschen helfen«, sagte Menina. »Und nun frage ich mich, wie ich alles unter einen Hut bringen kann – es lässt mir keine Ruhe.«
»Das Kloster ist in einem grässlichen Zustand. Interessant, aber ziemlich heruntergekommen. Und dieses Badezimmer ist wirklich übel«, sagte Becky. »Gut, dass Alejandro deine Eltern bei sich untergebracht hat, sein Haus ist toll. Man merkt sofort, dass es alt ist, aber er hat viel daran gemacht und es ist richtig komfortabel. Für einen Mann hat er einen guten Geschmack. Und er hat gesagt, dass wir jederzeit zum Duschen kommen können.« Sie sah Menina von der Seite an und versuchte abzuschätzen, wie ihre Freundin zu dem gut aussehenden Polizeihauptmann stand. Sie fand, er war ein Macho, aber er war trotzdem in Ordnung. Er gab Menina Raum. Becky war sich ziemlich sicher, dass sich zwischen den beiden etwas anbahnte.
Als Serafina Lennox zum ersten Mal ins Kloster kam und sah, was Menina entdeckt hatte, war sie sprachlos und begann derart nach Luft zu schnappen, dass sie sich hinsetzen musste. Menina brachte ihr ein Glas Wasser und versicherte ihr, das sei erst der Anfang.
Für Menina und Alejandro wurde die Wendung »Das ist erst der Anfang« zu einer Art Mantra. Im Laufe der Jahre ging sie solchen Aussagen voran wie »Das ist vielleicht eine verrückte Idee, aber wie wäre es, wenn wir ein Museum aus dem Kloster machen?« über »Wie sollen wir jemals so viel Geld aufbringen?« und »Lass es uns versuchen« und bis hin zu »Lieber Himmel, was haben wir uns bloß dabei gedacht?«
Menina und Alejandro sagten es, als Fachleute kamen und sich die Chronik und die Medaille ansahen. Sie sagten es, als Menina laut überlegte, ob es möglich wäre, den Bilderzyklus von Mendoza zusammen mit der Chronik und der Medaille zu behalten und auszustellen und im Kloster eine Galerie und einen Laden einzurichten, in dem man Kopien der Medaille und der Chronik und Drucke der Bilder kaufen konnte. Sie sagten es hoffnungsvoll zu Gruppen von Architekten und Umweltschützern und Denkmalschützern, die sich in Scharen durch das Kloster schoben und den Kopf schüttelten, weil sie es für ein Ding der Unmöglichkeit hielten, ein so altes, so geschichtsträchtiges und riesiges Gebäude zu restaurieren und zu reparieren.
Sie hatten es zu Versicherungen und Museen und wohltätigen Stiftungen gesagt. Sie sagten es mit zunehmend heiserer Stimme, wenn sie Vorträge hielten, Kontakte knüpften und offiziellen Stellen auf der Suche nach Fördergeldern die Türen einrannten. Und als sie Sor Teresa erklärten, dass zuallererst neue Wohnquartiere für die Nonnen und Unterkünfte für ein Pflegeteam von Laienschwestern eingerichtet werden sollten. Sor Teresa konterte mit Ausrufen und Warnungen und einer Flut von Ratschlägen, sodass Menina es Alejandro überließ, seiner Tante klarzumachen, dass dies »erst der Anfang« sei.
Sie sagten es, als die ersten vorsichtigen Spendenaufrufe Früchte trugen, und sie beschrieben damit den Zustand permanenter Umwälzungen, der dann kam: Spendenaktionen, Besuche von diversen Würdenträgern, Bauarbeiten, Reparaturen, Renovierungen. Alejandro sagte es, als er Menina fragte,
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