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Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Titel: Das Zeichen der Schwalbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Bryan
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ähnliche Zimmer sah wie ihr eigenes: ein schmales Bett, ein Tisch, ein Stuhl und ein Kruzifix an der Wand. In früheren Zeiten waren sie wahrscheinlich von Pilgern belegt gewesen. Menina zog die Nase kraus. Noch nie hatte sie etwas Ähnliches gerochen wie diese Mischung aus Alter und Schimmel und Moder.
    Sie hoffte, sie würde die Kapelle finden oder einer der Nonnen begegnen, doch die Korridore lagen verlassen da. Dann gelangte sie zu einem Raum, in dem tiefe Steinbecken an den Wänden und eine altertümliche eiserne Pumpe angebracht waren. Geflickte Nachthemden hingen zum Trocknen auf einem hölzernen Gestell. Sie öffnete die Tür zu einem größeren Raum mit Fliesen an Wänden und Boden und einem weiteren Steinbecken, einer Pumpe und ein paar Töpfen und Pfannen, die schief an Eisenhaken von der niedrigen Decke baumelten. Außerdem gab es einen zerkratzten Holztisch und an einem Ende des Raumes einen riesigen offenen Kamin. Auf dem Tisch sah Menina Krüge, mit Weidengeflecht eingefasst, mit der Aufschrift »Vino« und »Aceite de oliva« – Wein und Olivenöl, zu Zöpfen geflochtene Zwiebeln und Knoblauchknollen, Körbe mit Eiern, Babyartischocken und Kartoffeln, an denen noch Erde klebte, ein paar Zitronen und ein Stück Honigwabe auf einem Teller. An der Feuerstelle hingen einige Bündel mit getrockneten Kräutern, neben dem Kamin waren Holzscheite aufgestapelt und in der Glut köchelte ein Eisentopf vor sich hin. Sie beugte sich hinunter und nahm den Deckel ab. Knoblauchduft strömte ihr entgegen und sie merkte, dass sie sehr, sehr hungrig war. Das süße Brot zum Frühstück hatte wunderbar geschmeckt, aber es war eben nur eine einzige Scheibe gewesen. Sie setzte den Deckel auf den Topf zurück und sah sich nach irgendetwas um, das sie knabbern könnte, ganz gleich, was.
    Unter dem Waschbecken entdeckte sie einen großen Korb mit altbackenem Brot, der die Aufschrift » pollos « trug. Einige Brocken waren nur ein bisschen trocken, andere dagegen hart wie Stein. Menina fand ein großes Stück von einem Brotlaib, der ein bisschen frischer aussah als der Rest, und brach einen Bissen davon ab. Sie tunkte ihn in den Honig und aß ihn, auch wenn sie dabei ein schlechtes Gewissen hatte. Was übrig blieb, brach sie in zwei Teile, die sie sich in die Jackentaschen stopfte, für den Fall, dass es kein Mittagessen gab. Dann setzte sie ihre Erkundungstour fort. Von der Küche aus gelangte sie in einen größeren, weiß getünchten Raum mit einem großen Kreuz aus dunklem Holz. Darunter standen ein Pult mit einem aufgeschlagenen Buch und drei lange Tische mit Bänken davor. Das Esszimmer der Nonnen?
    Von diesem Raum aus führte eine Tür in ein weiteres dämmriges, stilles Zimmer mit niedriger Decke. Menina trat ein, dann rief sie erschrocken: »Entschuldigung!« Das Zimmer war voller Leute. Es waren ungewöhnlich ruhige Leute. Alle hatten Hüte auf und standen vollkommen still – und Menina erkannte, dass es keine Menschen, sondern Heiligenfiguren aus Gips waren, mit angeschlagenen Glorienscheinen. An den Wänden reihten sich staubige, mit Spinnweben bedeckte Vitrinen aneinander und in der Mitte des Raumes sah sie Sessel, auf deren Armlehnen achtlos hingeworfene gehäkelte Schondeckchen lagen.
    Seltsam. Es sah aus, als sei alles in einer Zeitkapsel eingefroren, dachte Menina. Der Staub stieg ihr in die Nase und sie musste niesen. In der Stille klang es sehr laut.
    Über einem leeren Weihwasserbecken, das ein kurzes Stück über dem Boden in die Wand eingelassen war, hing ein Medaillon aus blau-weißer Emaille, das die Madonna und das Kind zeigte. Als sie sich umsah, entdeckte Menina, dass die Wände voller kleiner geschnitzter Figuren waren – Madonnen, Engel, Putten. Sie wünschte, sie hätte Stift und Schreibblock mitgebracht, um alles aufzulisten. Außerdem gab es ein paar schmutzige und mottenzerfressene Wandteppiche und einige Bilder, die mit den Jahren so dunkel geworden waren, dass darauf kaum etwas zu erkennen war. Menina konnte Moses in den Binsen ausmachen, auf einem anderen Bild sah sie kleine Engel, die mit einem Lamm spielten, Johannes den Täufer als wohlgenährtes Kleinkind, wie er durch knöcheltiefes Wasser watete und dabei ein winziges Kreuz hochhielt, und ein großes Gemälde mit der Jungfrau, zwei anderen Frauen und einigen Kindern, die zu ihren Füßen spielten. Alle Bilder schienen etwas mit Kindheit zu tun zu haben – hatte dieser Raum zum Waisenhaus gehört?
    Sie wischte Staub und Spinnweben

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