Das Zeichen der Vier
ich meine Pfeife hervor und legte die Muskete beiseite, um ein Streichholz anzuzünden. Und schon waren die beiden Sikhs über mir. Einer packte mein Gewehr und richtete es auf meinen Kopf, während der andere mir ein großes Messer an die Kehle setzte und zwischen den Zähnen drohte, er stoße zu, wenn ich auch nur einen Mucks machte.
Mein erster Gedanke war, daß die Burschen gemeinsame Sache mit den Rebellen machten und daß dies der Auftakt zu einem Angriff war. Wenn dieser Eingang in die Hände der
Sepoys
fiel, dann war es um das Fort geschehen, und den Frauen und Kindern würde dasselbe blühen wie denen in Kanpur. Sie denken jetzt vielleicht, Gentlemen, daß ich mich bloß in ein besseres Licht stellen will, aber ich schwöre Ihnen: Als ich mir dies vor Augen hielt, öffnete ich ungeachtet der Messerspitze, die ich an meiner Kehle fühlte, den Mund und wollte einen Schrei ausstoßen – und wenn es mein letzter sein sollte –, um die Hauptwache zu alarmieren. Aber der Mann, der mich gepackt hielt, schien meine Gedanken zu erraten, denn eben als ich all meinen Mut dafür zusammennahm, flüsterte er mir zu: ›Mach keinen Lärm! Das Fort ist sicher. Auf dieser Seite des Flusses gibt es keine Rebellenhunde.‹ Er klang irgendwie aufrichtig, und zudem wußte ich, wenn ich die Stimme erhob, war ich ein toter Mann; soviel konnte ich aus dem Blick seiner braunen Augen lesen. Ich hielt mich also ruhig und wartete ab, was die beiden von mir wollten.
›Höre mich an,
Sahib‹,
begann der größere und wildere der beiden, den sie Abdullah Khan nannten. ›Du mußt jetzt entweder mit uns sein, oder du wirst auf immer zum Schweigen gebracht. Zu viel steht für uns auf dem Spiel, wir dürfen nicht zaudern. Entweder du schwörst uns beim Kreuz der Christen, daß du mit Leib und Seele mit uns bist, oder deine Leiche schwimmt noch in dieser Nacht im Wassergraben, und wir laufen über zu unseren Brüdern in der aufständischen Armee. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Was willst du – Tod oder Leben? Wir können dir nicht mehr als drei Minuten geben, um dich zu entscheiden, denn die Zeit drängt, und die Sache muß erledigt sein, ehe die Wachpatrouille wieder hier vorbeikommt.‹
›Wie kann ich mich denn entscheiden?‹ entgegnete ich. ›Ihr habt mir nicht gesagt, was ihr von mir verlangt. Aber das sage ich euch gleich, wenn es in irgendeiner Weise gegen die Sicherheit des Forts gerichtet ist, will ich nichts damit zu tun haben., Dann stoßt nur zu, es soll mir recht sein.‹
›Es ist nicht gegen das Fort‹, sagte er. ›Wir verlangen nichts weiter von dir als das, weswegen deine Landsleute in dies Land hier kommen. Wir verlangen von dir, daß du reich wirst. Wenn du dich heute nacht entschließt, einer von uns zu werden, so wollen wir dir auf dies blanke Messer hier den dreifachen Eid schwören, den noch kein Sikh je gebrochen hat, daß du deinen gerechten Anteil an der Beute erhalten wirst. Ein Viertel des Schatzes soll dein sein. Das ist gerecht, das sag ich dir.‹
›Was für ein Schatz ist das denn?‹ fragte ich. ›Ich hab gewiß genauso viel Lust, reich zu werden, wie ihr, aber ihr müßt mir schon sagen, wie dies anzupacken ist.‹
›So schwörst du also‹, sagte er, ›bei den Gebeinen deines Vaters, der Ehre deiner Mutter und dem Kreuz deines Glaubens, daß du, weder heute noch fürderhin, deine Hand gegen uns erheben oder deine Worte gegen uns richten wirst?‹
›Das schwöre ich‹, erwiderte ich, ›vorausgesetzt, das Fort ist nicht in Gefahr.‹
›Dann wollen wir, mein Kamerad und ich, schwören, daß der Schatz gleichmäßig unter uns vier aufgeteilt werden soll und daß du einen Viertel davon erhältst.‹
›Wir sind doch nur drei‹, warf ich ein.
›Nein, Dost Akbar muß auch seinen Teil bekommen. Wir können dir die ganze Geschichte erzählen, während wir auf sie warten. Bleib du beim Eingang, Mahomet Singh, und gib uns Meldung, wenn sie kommen. Die Sache ist die,
Sahib –
und ich erzähle dir nur davon, weil ich weiß, daß ein Eid für euch
Feringhees
40 bindend ist und daß wir dir vertrauen können. Wärst du ein lügnerischer Hindu, so hättest du bei allen Göttern in ihren falschen Tempeln schwören können, dein Blut hätte dennoch am Messer geklebt, und dein Leichnam wäre im Wasser geschwommen. Aber der Sikh kennt den Engländer, und der Engländer kennt den Sikh. So höre denn, was ich dir zu sagen habe.
In den nördlichen Provinzen lebt ein Radscha, der große
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