Das Zeichen des Vampirs - The Society of S
letzte Glas ab und stellte es in den Hängeschrank.
»Dort hat es ihm immer gut gefallen.« Ihre Stimme verriet keinerlei Gefühlsregung und statt ihrer Gedanken hörte ich nur ein verwirrendes Summen.
»Ich weiß natürlich noch nicht genau, ob wirklich er hinter
dem Namen steckt, den ich ausfindig gemacht habe.« Ich nahm den Teller, den sie mir gereicht hatte, und trocknete ihn ab.
Sie wusch den nächsten Teller. »Warum rufst du ihn nicht einfach an?«, fragte sie.
Ich erzählte ihr von meiner erfolglosen Suche nach einer Telefonnummer, die auf einen Mr Pym angemeldet war.
»Pym.« Sie zog den Stöpsel, und wir sahen zu, wie das Wasser spiralförmig im Abfluss verschwand. »Und was willst du jetzt tun, Ariella?«
Ich hatte gehofft, dass sie es mir sagen könnte. »Ich glaube, ich fahre nach Sarasota«, antwortete ich und hängte das Geschirrtuch auf. »Ich muss wissen, ob er noch am Leben ist, Mãe.«
»Wenn das so ist«, sagte sie, »werde ich wohl lieber mitkommen.«
Sarasato war eine seltsame Mischung aus armen und reichen Gegenden, natürlicher Schönheit und künstlichem Pomp - es war eine Stadt, in der man sich nur schwer zurechtfand, weil sich die Eindrücke mit jeder zurückgelegten Meile veränderten. In den Vororten fuhren wir an den kleinen Einkaufszentren und Schildern für bewachte Wohnanlagen vorbei, die für fast alle Städte in Florida typisch sind. Aber die Innenstadt bestand aus älteren, kleineren Gebäuden, die aus einer anderen Epoche zu stammen schienen.
Als wir im Zentrum an einer Ampel hielten, sah ich zwei Frauen, wahrscheinlich Mutter und Tochter, die bunt gemusterte Sommerkleider und dunkle Sonnenbrillen trugen und die Menükarte im Fenster eines Restaurants lasen. Ich beneidete
sie darum, dass sie nichts Wichtigeres zu tun hatten, als zu entscheiden, was sie zu Mittag aßen und in welchen Boutiquen sie einkauften.
»Wir könnten ein paar neue Sachen zum Anziehen gebrauchen«, sagte Mãe.
Sie wechselte auf die rechte Fahrspur und stellte den Pick-up in eine Parklücke am Straßenrand. »Komm schon, Ariella. Du willst deinem Vater doch bestimmt nicht in diesem Aufzug begegnen.«
»Dann glaubst du also auch, dass er hier ist?«, fragte ich.
»Wer weiß?«, antwortete sie. »Jedenfalls ist es schön, wieder in Sarasota zu sein.«
Meine Mutter legte beim Einkaufen dieselbe Entschlossenheit an den Tag, mit der sie auch sonst ihr Leben führte - innerhalb von Sekunden hatte sie gesehen, was es zu sehen gab, und sich für etwas entschieden, ohne es vorher anzuprobieren. Ich brauchte viel mehr Zeit, bis ich etwas gefunden hatte. Außer den Schnäppchenjagden mit Jane war ich eigentlich immer nur mit Kathleen durch das Einkaufszentrum von Saratoga Springs gestreift.
Die Geschäfte hier waren kleiner, spezieller und teurer. Es machte mir Spaß, mich wieder wie ein ganz normales Mädchen zu fühlen.
Ich führte verschiedene Kleider vor und meine Mutter nickte oder schüttelte den Kopf. Als ich ihr eine mit Hibiskusblüten gemusterte Bluse zeigte, die mir gefiel, sagte sie: »Lieber nicht. Du weißt doch, wie Muster auf ihn wirken. Das hier würde ihn in den Wahnsinn treiben.« Wenn wir nicht beide Hunger bekommen hätten, hätten wir wohl noch Stunden so weitergemacht.
Wir beschlossen, jeweils ein Teil unserer neuen Errungenschaften
gleich anzuziehen - sie ein blaues Seidenkleid mit viereckigem Ausschnitt und ich ein rauchfarbenes Kleid, das im Nacken gebunden wurde. Die restlichen Sachen verstauten wir im Pick-up, fütterten die Parkuhr und gingen in ein Restaurant, das Meeresfrüchte anbot.
Meine Mutter bestellte einen Picardo auf Eis und kippte die Hälfte davon in mein Cola-Glas.
(Wer den relativ hohen Alkoholkonsum von Vampiren besorgniserregend findet, sollte Dr. Graham Wilsons Monografie »Metabolische Aspekte des Alkohols in klinischen Ernährungsversuchen« lesen. Offensichtlich sind wir mit au ßergewöhnlich leistungsfähigen Lebern gesegnet.)
Wir bestellten Fisch - schwarzen Zackenbarsch für Mãe und Goldmakrele für mich. Als das Essen kam, zauberte sie eine kleine Gewürzdose aus ihrer Handtasche und bestreute damit großzügig unser Essen. Die kleinen Flöckchen sahen aus wie gemahlener roter Pfeffer, schmeckten aber nach Sangfroid.
»Gefriergetrocknet«, sagte sie. »Ich trage immer etwas davon bei mir, egal wo ich bin.«
Auf der Fahrt zur Midnight Pass Road deutete meine Mutter immer wieder auf Sehenswürdigkeiten, die ihr vertraut waren. »Da
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