Das Zeitalter der Fuenf 02 Magier
Bündel und folgte ihr.
Sie verfügten mittlerweile beide über einiges Geschick, was das Klettern betraf. Er konnte inzwischen nicht mehr zählen, wie viele Felswände sie erklommen hatten. Dies war ein für Si typisches Gelände. Die Berge waren steil und schroff, zerrissen und voller senkrechter Felshänge. Sie sahen so aus, als hätte jemand gewaltige Lehmhügel auf die Welt geworfen, um dann mit riesenhaften Messern wiederholt hineinzustechen. Der unbewachsene Grund war durch Felsbrocken und Geröll fast unpassierbar. Wo die Talsohlen bewachsen waren, kam man etwas besser voran. Dort mussten sie sich lediglich einen Weg durch das dichte Unterholz des Waldes bahnen.
Kein menschliches Wesen hatte in dieser Landschaft Spuren hinterlassen - nicht einmal die Siyee, die es nicht schätzten, in solcher Nähe von Landgehersiedlungen zu leben. Gelegentlich kamen Tiere hierher, und sie hatten schmale, gewundene Pfade durch das Gehölz ausgetreten. Trotzdem kamen sie nur langsam voran. Er und Emerahl waren seit einem Monat unterwegs, hatten sich bisher jedoch nicht weit in den nördlichen Teil von Si hineingewagt. Vor der Erschaffung der Siyee war dieser Teil Ithanias als die Wildnis bekannt gewesen.
Und den Göttern zufolge werden Emerahl und ich ganz ähnlich eingestuft, überlegte Mirar. Man nennt uns die »Wilden«. Ob sie damit wohl andeuten wollen, dass wir ungezähmt sind? Unzivilisiert? Vielleicht sogar barbarisch?
Wohl eher zügellos, chaotisch, gewalttätig, gefährlich, warf Leiard ein.
Nichts von alledem entspricht der Wahrheit, erwiderte Mirar. Zu ihrer Zeit hatten er und Emerahl für große magische Fähigkeiten gestanden. Seine Traumweber hatten einer chaotischen Welt Ordnung gegeben. Sie waren friedlich, gewaltlos und gewiss nicht gefährlich gewesen. Emerahl war weithin für ihre Heilkunst und Weisheit berühmt gewesen.
Das Wort »Wilde« hatte noch eine weitere Bedeutung. Es konnte sich um eine willkürliche Kraft handeln, die die Pläne der Götter entweder zum Wohl oder zum Schaden der Menschen vereiteln konnte.
Dies ist vielleicht der wahre Grund, warum die Götter uns diesen Namen gegeben haben, dachte Mirar. Das Vereiteln der Pläne der Götter scheint mir ein würdiger Grund zu sein, überhaupt zu existieren. Das Problem ist, ich habe keine Ahnung, wie ihre Pläne aussehen, wie soll ich sie da vereiteln?
Die Schlucht war inzwischen breiter geworden. Er konnte das Geräusch von Wasser hören. Unmengen von Wasser. Sie mussten sich einem Fluss nähern. Emerahls Schritte waren jetzt leicht und federnd. Er sah sie in das Sonnenlicht vor ihnen eintauchen und mit einem Lächeln nach links abbiegen.
Irgendetwas freut sie, so viel steht fest, ging es ihm durch den Kopf. Er beschleunigte seine Schritte und holte sie bald darauf ein. Sie stand am Rand eines Abgrunds, an dem die Schlucht ein jähes Ende fand. Als er ihrem Blick folgte, sah er, was ihr dieses Lächeln entlockt hatte.
Ein Wasserfall. Weit über dem Wasserfall neigten sich zwei steile Hänge einander zu und leiteten den Fluss zu einem Klippenrand. Das Wasser ergoss sich in einen breiten, tiefen See, bevor es mit einem fröhlichen Gluckern durch ein felsiges Flussbett, das sich unter ihnen dahinschlängelte, strömte und schließlich nach rechts abfloss. Über dem Wasserfall stieg Nebel auf, so dass die Luft feuchtigkeitsgeschwängert war.
»Wie hübsch«, bemerkte er.
Emerahl sah ihn von der Seite an. »Ja, nicht wahr? Lass uns einen Baum suchen, um den wir unser Seil schlingen können.«
Einige Minuten später waren sie beide hinabgestiegen, nachdem sie ihre Bündel mit Magie vorausgeschickt hatten. Emerahl überquerte den Fluss, indem sie von einem Stein zum nächsten sprang. Als sie auf den Wasserfall zuging, zögerte Mirar kurz, bevor er ihr folgte. Nachdem sie einen Monat lang durch dieses unwirkliche Land gewandert waren und viele prachtvolle Landschaften gesehen hatten, verspürte er nicht die geringste Neigung, einen Wasserfall zu erkunden. Ihm wäre es lieber gewesen, früher ans Ziel zu gelangen und sich gründlich ausruhen zu können.
Emerahl ging immer dichter an den Wasserfall heran. Das Rauschen dröhnte in seinen Ohren. Als sie die glatten Steinbrocken neben dem Wasserfall hinunterkletterte, blieb er stehen, um sie zu beobachten. Schließlich drehte sie sich um und winkte ihn mit einem Lächeln zu sich.
Achselzuckend folgte er ihr. Als er dicht neben ihr stand, grinste sie ihn an. Dann sah er, was sie entdeckt hatte.
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