Das Zeitalter der Fuenf 02 Magier
eigenen Priester und Priesterinnen bekommen? Diese Nachricht bekümmerte sie. Das Volk von Si war über so lange Zeit frei gewesen vom Einfluss der Zirkler. Aber wahrscheinlich brauchen sie Schutz, jetzt, da dem Kontinent Gefahr durch die Pentadrianer droht.
Sie betrachtete den alten Mann. Er verströmte keine Furcht mehr, obwohl sich in seine Neugier noch immer Vorsicht mischte. Sie war sich sicher, dass er und seine Gefährten ihr nichts Böses wollten. Sie glaubten, sie sei allein, und dabei sollte es auch bleiben. Sie würde keine Risiken eingehen, indem sie ihnen Mirar vorstellte. Nein, es war das Beste, diese Leute davon zu überzeugen, dass sie allein und harmlos war.
Sie ging in die Hocke und wusch sich in dem kalten, schnell fließenden Wasser die Hände.
»Ein Stück weiter den Fluss hinunter steht ein Korbfruchtbaum«, sagte sie. »Wollt ihr bleiben und mit mir essen? Ich habe schon lange keine Gesellschaft mehr gehabt.«
Er sah seine Gefährten an, dann nickte er. »Ja, wir nehmen dein Angebot an. Allerdings können wir nicht lange bleiben, da sich unsere Rückkehr zu unserem Stamm bereits verzögert hat, aber wir haben noch genug Zeit, um zu reden und zu essen.«
Er stieß einen lauten Pfiff aus, und die drei anderen Siyee traten zwischen den anderen Bäumen hervor: eine Frau in mittleren Jahren und zwei junge Leute. Während sie näher kamen, musterten sie Emerahl ängstlich. Veece machte sie miteinander bekannt. Sie lächelte ihnen zu, dann erhob sie sich und winkte sie heran.
»Folgt mir. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich kann immer besser reden, wenn ich keinen Hunger habe.«
Mit diesen Worten führte sie sie fort vom Fluss und weg von Mirar. Der Himmel war eine aufgewühlte Decke tiefhängender schwarzer Wolken. Blitze blendeten sie. Es war kein Donner zu hören, nur Stille.
In der Nacht nach der Schlacht gab es kein Gewitter, dachte Auraya, während sie über die Leiber hinwegstieg. Nun, es gab damals auch keine sprechenden Leichname.
Sie bemühte sich, die Gesichter der Toten nicht anzuschauen, da sie die Erfahrung gemacht hatte, dass sie sie damit wachrief. Allerdings war es schwierig, sich auf dem Schlachtfeld zu bewegen, ohne zu Boden zu sehen. Die Dunkelheit zwischen den Blitzen war absolut. Dann kam der Moment, da sie über einen Leichnam stolperte und unwillkürlich hinabblickte.
Blutunterlaufene Augen starrten sie an. Lippen bewegten sich.
»Du hast mich getötet«, keuchte der Tote.
An dieser Stelle bin ich sonst immer aufgewacht, dachte sie. Aber damit ist es jetzt wohl vorbei.
»Du hast mich getötet«, erklang eine andere Stimme. Eine Frau. Eine Priesterin. Dann wurde wieder eine andere Stimme laut und noch eine. Überall um sie herum begannen die Leiber sich zu bewegen. Wenn sie konnten, erhoben sie sich. Schleppten sich auf allen vieren weiter, wenn sie es nicht konnten. Sie kamen auf sie zu. Brachten mit monotonem Singsang ihre Anklage vor, immer lauter und lauter.
»Du hast mich getötet! Du hast mich getötet! Du hast mich getötet!«
Sie rannte los, aber es gab kein Entkommen. Die Leichname umringten sie. Auch an dieser Stelle bin ich sonst immer aufgewacht. Sie griffen nach ihr. Zogen sie hinab in ein Meer eitriger, verwesender Leichen. Gesichter drückten sich an ihres, spien aus und sabberten Blut. Sie spürte, wie sie ihre knochigen Finger in ihren Oberkörper gruben, bis ihr das Atmen schwerfiel. Und die ganze Zeit über sprachen sie immer wieder die gleichen Worte.
»Owaya! Owaya!«
Was...?
Plötzlich war sie hellwach und blickte in ein Paar großer, von feinen Wimpern gesäumter Augen. Augen, die einem Veez gehörten.
»Owaya«, wiederholte Unfug laut, diesmal mit einem unverkennbaren Tonfall der Befriedigung. Er saß auf ihrer Brust und verlagerte das Gewicht von einer Pfote auf die andere.
»Unfug!«, stieß sie hervor. Als sie sich aufrichtete, sprang das Tier von ihrem Bett. Sie holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus, bevor sie sich zu dem Veez umdrehte.
»Ich danke dir«, murmelte sie.
»Kraulen?«, schlug er vor.
Sie tat ihm den Gefallen und genoss das Gefühl seines weichen Fells unter ihren Händen. Während er leise Laute des Wohlbehagens von sich gab, dachte sie über ihre Alpträume nach. Sie wurden schlimmer statt besser. Was das bedeutete, konnte sie nicht sagen.
Vielleicht sollte ich einen Traumweber zurate ziehen.
Sie dachte an die Traumweber, die sie bei der Arbeit im Hospital unterstützen würden. Würden sie
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