Das Zeitalter der Fuenf 02 Magier
anvertrauen kann, erweist du ihnen den Vorzug anderen gegenüber.«
Es gab viele Riten und Zeremonien, bei denen ein Gefährte anwesend sein musste, obwohl er selbst keine Rolle in dem Ritus spielte. Reivan vermutete, dass die anderen Gefährten an dergleichen Dingen teilnahmen, um zur Stelle zu sein, falls sie gebraucht wurden. Was wahrscheinlich der Grund war, warum niemand dagegen protestierte, wenn Imenja sie mitnahm.
Heute würde sie dem Ritus der Sonne beiwohnen. Sie hatte der Fruchtbarkeitszeremonie noch nie zuvor beigewohnt oder gar daran teilgenommen, da dieser Ritus verheirateten Paaren vorbehalten war. Reichen verheirateten Paaren. Einzig die Teilnehmer und einige Götterdiener waren während der ganzen Zeremonie zugegen, und die Stimmen vollzogen den Beginn des Ritus.
Der Ritus war ein Quell großer Neugier für junge Pentadrianer - und für alle Fremdländer -, denn nur wenige Menschen sprachen jemals darüber. Die mit dieser Aufgabe betrauten Götterdiener mussten schwören, Stillschweigen über das Tun der Teilnehmer zu bewahren, und die Teilnehmer waren selten bereit, ihre Erfahrungen zu beschreiben. Das Volk der Avvenaner erachtete es als ungehobelt und unhöflich, über die intimen Bereiche der Ehe zu reden.
Dieses Widerstreben der Pentadrianer, von dem Ritus zu sprechen, verleitete Fremdländer im Allgemeinen zu wilden Spekulationen. Reivan war während der Zeit, da sie die Minen Nordithanias kartografiert hatte, vielen Sennonern begegnet, die glaubten, ihr Volk schwelge in rituellen Orgien. Sie hatte in solchen Fällen erklärt, dass einzig verheiratete Paare an den Zeremonien teilnahmen, aber dieser Umstand hatte die Fremden keineswegs davon überzeugt, dass an dem Ritus nichts Obszönes war.
Sobald Sex ins Spiel kommt, überlegte sie, denken die Menschen, das Geschehen müsse irgendwie verkommen sein. Die Sennoner sind noch prüder als die Pentadrianer. Ich wüsste zu gern, ob die Zirkler genauso sind.
Die gewölbte Mauer des Tempels von Hrun erschien vor ihr. Reivan betrachtete sehnsüchtig die fernen Schatten des Bogengangs, durch den man in den Tempel gelangte. Es wurde immer heißer, und sie erfuhr am eigenen Leib, wie unbequem ihre schwarzen Roben im vollen Schein der Sonne sein konnten.
Neidvoll blickte sie auf die Sklaven, die vor ihr hergingen, mit nichts anderem bekleidet als kurzen Hosen. Auf ihrer gebräunten Haut glänzten Schweißtröpfchen. Ein Gerücht, das sie vor kurzem gehört hatte, fiel ihr wieder ein. Einer der befreiten Sklaven der Armee hatte eine Götterdienerin geheiratet. Reivan fragte sich, für welches Verbrechen der Mann mit einem Leben in Sklaverei bestraft worden sein mochte. Die Götterdienerin hätte ihn gewiss nicht geheiratet, wenn er ein Vergewaltiger oder Mörder gewesen wäre.
Hatten sich die Männer vor ihr solch böser Taten schuldig gemacht? Sie beäugte sie zweifelnd. Man erachtete es gemeinhin als besser, Verbrecher zu Sklaven des Sanktuariums zu machen, statt sie in Gefängnissen einzusperren. Alle Götterdiener besaßen Talente und waren daher in der Lage, sich zu verteidigen, sollte ein Sklave Ärger machen.
Alle, bis auf mich, dachte sie. Ich hoffe, die anderen Götterdiener werden sich daran erinnern - oder noch besser wäre es, wenn meine Freunde es täten, während meine Feinde es vergessen würden.
Imenjas Sänfte erreichte jetzt den Eingang zum Tempel und verschwand auf der anderen Seite. Die Augenblicke, bis Reivan dem glutheißen Sonnenlicht entfliehen konnte, kamen ihr endlos vor. Doch zu guter Letzt gelangte auch sie in den Schatten des Gebäudes und ging durch einen breiten, überwölbten Flur. Eine herrliche Brise schenkte ihr Abkühlung. Sie sah sich um und sog voller Staunen den Atem ein.
Wo der Gang endete, enthüllten zwei Türen einen weiten Kreis üppigen Grüns. In der Mitte glitzerte ein Teich, und der Rand der Wiese war von niedrigen Gartenbeeten gesäumt. Dieser Innengarten war nicht überdacht, und Springbrunnen hielten die Luft feucht. Es war wie eine Oase inmitten der Wüste.
Als sie das Ende des Flurs erreichte hatte, folgte sie den Sklaven einen Fußweg entlang, der im Schatten eines Bogengangs um den Garten herumführte. Die innere Mauer des Tempels wurde in regelmäßigen Abständen von offen stehenden Türen unterbrochen. Reivan schätzte, dass es insgesamt mehr als fünfzig dieser Türen gab.
Die Sklaven trugen die vier Sänften zur gegenüberliegenden Seite des Gartens, wo sie sie vor einem erhöhten
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