Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)
Firmen hatte, für die Zeitung, die Cedric herausgab, wollte er sich nicht vorstellen. Seine Anwälte hatten ihm Mut gemacht: »Wir können verhandeln. Wir können darauf drängen, dass Sie als Geschäftsführer dabei bleiben. Mit einem entsprechenden Gehalt. Mrs Kjellberg wird ohnehin Leute einstellen müssen. Sie hat vermutlich nicht die nötige Qualifikation, ein Medienunternehmen von dieser Größe zu leiten.«
Aber was, wenn diese Frau ihn nicht haben wollte? Irgendwo Arbeit zu finden, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, schien ihm unmöglich. Nicht, dass er sich vor der Arbeit scheute. Nur vor den Menschen, mit denen er dann zu tun haben würde.
Mittlerweile war die Lage eine andere. Über diese Dinge musste er sich keine Gedanken mehr machen.
Er hatte keine Ahnung, was Lillians Mutter für eine Frau war. Er wusste nur, dass sie mit einem Isländer liiert war, und dass sie seit einigen Jahren mit ihm in dessen Heimat lebte. Wahrscheinlich würde sie William mit nach Island nehmen.
Die beiden Anwälte erschienen pünktlich und begrüßten ihn mit einem knappen Nicken. Nicht ihre Uhrzeit, er sah es ihnen an, auch wenn sie alles taten, um wach und frisch zu wirken.
»Wir haben Mrs Kjellberg gestern Nacht nicht mehr erreicht«, sagte Flynn, Lillians Anwalt und Nachlassverwalter. »Aber wir bringen den Jungen bei einer Pflegefamilie unter. Die Frau ist ausgebildete Krankenschwester und spezialisiert auf taube und taubblinde Kinder. Ihr Mann unterrichtet an der Schule für Hörbehinderte in Linlithgow. Eine bessere Unterbringung konnten wir nicht finden.«
»Sollte er nicht hier bleiben?«, fragte Cedric.
»Wozu?« Flynn klang genervt. »Er ist nicht akut krank.«
»Er könnte operiert werden, damit er wieder hört. Ich habe gelesen, dass man Kindern in seinem Alter ein Cochlear-Implantat einsetzen kann. Wenn er schon mal hier ist, kann er doch …«
»Mr Darney«, unterbrach Flynn ihn. »Wenn Sie sich schon so schlau gemacht haben, können Sie die OP auch gleich selbst durchführen, was? Der Junge braucht erst mal jemanden, der sich um ihn kümmert, und zwar rund um die Uhr. Eine Bezugsperson. Es ist alles schon schwer genug, aber irgendwie müssen wir die Zeit sinnvoll überbrücken, bis seine Großmutter kommt, um ihn zu holen. Sie ist nun mal die einzige lebende Verwandte.«
»Gibt es denn in Island … also … kann man sich denn da um den Jungen kümmern?«
»Island ist nicht Äthiopien. Aber die Vorliebe von Mrs Kjellberg für die skandinavischen Männer macht die Sache gerade nicht einfacher, da haben Sie recht. Irgendwie kommen die Kollegen in Reykjavík nicht in die Gänge.«
»Auch eingeschneit.« Bolithos Stimme klang rau, entweder von einer Erkältung oder noch vom Schlaf. Er war der jüngste unter Cedrics Anwälten, aber auch der mit dem besten Verhandlungsgeschick.
»Gut, diese Pflegefamilie ist sicher eine gute Idee«, sagte Cedric, um Flynn zu beruhigen. »Bringen Sie ihn hin?«
»Aber ganz sicher. Höchstpersönlich.« Als hätte er Angst, Cedric oder Bolitho würden den Jungen entführen. »Jeden Tag schaut jemand von unserer Kanzlei nach ihm, bis sich Mrs Kjellberg aufgetan hat. Man sollte meinen, bei dem, was es zu erben gibt, stünde sie schneller auf der Matte.« Er sah auf die Uhr. »Gleich kommt Williams Pflegemutter.«
»Wir können dann gehen?« Bolitho sah erwartungsvoll von Cedric zu Flynn und wieder zurück.
»Ich muss mit Ihnen beiden reden«, sagte Cedric.
»Hier?« Bolitho verzog das Gesicht. Vielleicht auch eine Krankenhausphobie.
»William hat das Usher-Syndrom. Er wird eines Tages auch noch Sehprobleme bekommen, im schlimmsten Fall blind werden.«
Die Anwälte nickten stumm.
»Verstehen Sie, worauf ich hinaus will? Das Usher-Syndrom ist eine Erbkrankheit. Sie wird autosomal-rezessiv vererbt und spielt in der Präimplantaldiagnostik keine Rolle.« Er sah die beiden an. Sie verstanden immer noch nicht, was er sagen wollte. »William ist ein Designerbaby. Er wurde nur deshalb geboren, weil die Ärztin, die ihn gemacht hat, der Meinung war, er sei hundertprozentig gesund.«
Flynn zuckte die Schultern. »Und was sagt uns das jetzt?«
»Ist das kein Motiv, Lillian zu ermorden?«
»Eher ein Motiv für Lillian, diese Ärztin zu ermorden.«
Flynn sprach aus, was auch Ben schon gesagt hatte. Der Schlafmangel zehrte an Cedric, und er überlegte, ob er heute schon seine Tablette genommen hatte. Ob es nötig war, eine zweite zu nehmen. »Lillian hatte diese Ärztin
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