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Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)

Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition)

Titel: Das zerbrochene Fenster: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Beck
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in der Hand. Sie konnte sie erpressen, sie konnte Schadenersatz fordern. Vielleicht wollte die Ärztin nicht zahlen, oder sie wollte nicht auffliegen. Lillian wird nicht die einzige Frau gewesen sein, der sie zu einem maßgeschneiderten Baby verholfen hat. Nur, wie wir wissen, ist William nicht ganz nach Maß. Sie erinnern sich, was im Testament meines Vaters steht? Da ist von einem gesunden Jungen die Rede.« Er sah Flynn an, dessen Arroganz sich zusammen mit seiner frischen Gesichtsfarbe verflüchtigte. »Lillian hat ein Verbrechen begangen, um an das Geld meines Vaters zu kommen. Das ist Punkt eins. Punkt zwei: Sie hätte sowieso nichts geerbt, wenn rausgekommen wäre, dass William krank ist. Mein Vater hat schon Menschen mit Schnupfen verachtet. Was glauben Sie, was er über einen tauben Sohn gesagt hätte?«
    Flynn schluckte, murmelte etwas von den Kollegen in London und englischem Recht und verschwand, das Handy hektisch ans Ohr gepresst.
    Bolitho hob die Augenbrauen. »Glückwunsch. Sie sind reich«, sagte er. »Aber warten Sie noch eine Weile, bevor Sie alles auf einmal ausgeben. Es wird sich vor Gericht noch etwas hinziehen. Und Sie müssten dazu mal wieder öfter nach London.« Bolitho nahm sein Telefon und tippte jemandem eine Nachricht. » Was für ein Theater, all die Monate.«
    »Ich glaube, das ist die Pflegemutter.« Cedric nickte einer Frau zu, die aus der Richtung kam, in die Flynn verschwunden war. Sie war ungefähr Ende vierzig und machte einen einschüchternden Eindruck auf Cedric. Ihre direkte Art, ihre distanzlosen Fragen, ihr lautes Lachen verwirrten ihn. Als sie ein paar Minuten später William auf dem Arm hatte, war klar, dass dieser sie lieben würde.
    Sie waren sehr ungleiche Brüder, William und er.
    Eigentlich könnte ihm sein Vater egal sein. Ebenso, wer ihn umgebracht hatte. Genauso könnte ihm seine Stiefmutter egal sein, und wer sie umgebracht hatte. Und die Tabletten dämpften ihn ausreichend, sodass es ihm wirklich fast egal war.
    Nur reichte »fast« nicht.
    Cedric hatte seit der Pubertät Depressionen, begleitet von einer Vielzahl Phobien. Die Angst vor Menschen, die Angst davor, aus dem Haus zu gehen, war der Grund, warum er schließlich zu einem Psychiater geschickt wurde. Und vom Psychiater zum Psychologen. Er redete mit keinem, er verweigerte Tabletten. Im Internat schoben sie sein Verhalten auf den Tod seiner Mutter. Da allerdings Gerüchte umgingen, sie hätte gar keinen Autounfall gehabt, sondern sich umgebracht, hatte die Schulleitung ein besonderes Auge auf ihn. Sie hatten schon genug Selbstmorde in Eton. Sie brauchten nicht noch einen. Der Schulpsychologe versuchte, mit ihm zu reden, und auch da verweigerte sich Cedric. Wenn keiner hinsah, griffen ihn sich die älteren Jungs und nahmen ihn mit auf ihre Zimmer. Erst sperrten sie ihn nur in ihre Schränke ein oder klauten ihm die Kleidung. Manchmal steckten sie ihn auch mit dem Kopf in die Kloschüssel. Das Übliche. Er gewöhnte sich auf seltsame Art daran. Irgendwann aber machten zwei von ihnen etwas anderes. Darüber würde er nie reden. Er sorgte nur dafür, möglichst nicht mehr alleine zu sein. Keine Sekunde. Dabei sehnte er sich nach nichts mehr als nach ein paar einsamen Stunden, in denen er ganz er selbst sein konnte.
    Seine Depressionen nannte er die »Grauen Tage«. Er wusste immer, wann sie kamen. Ihnen ging eine merkwürdige Hochstimmung voraus. Eine überfallartige Leichtigkeit. Diese Phase dauerte nur wenige Stunden, dann fiel er sehr tief und schlug sehr hart am Boden des dunkelsten Lochs der Welt auf. Er erwachte an einem Ort, an dem es keine Zeit und kein Licht gab. Unfähig, sich zu bewegen, lag er im Bett, und das kleinste Geräusch schmerzte in den Ohren. Er konnte nicht lesen, weil er das, was er las, nicht mehr verstand. Er schaffte es kaum, sich darauf zu konzentrieren, zusammenhängende Sätze zu bilden und sie klar auszusprechen. Er glaubte, sein Kopf müsste platzen, wenn irgendwo Musik spielte oder mehrere Leute gleichzeitig sprachen. Manchmal waren die Grauen Tage einfach nur grau. Die Konturen seiner Welt waren unscharf, die Grautöne flossen kaum unterscheidbar ineinander. Nach einer Weile wurden die Konturen schärfer, und es gab tausend Farben grau. Er konnte wieder erkennen, was um ihn herum geschah. Er konnte wieder aufstehen. Manchmal jagten die Grauen Tage schwarze Wolken durch seine Welt, und die schwarzen Wolken warfen schwarze Schatten, so groß wie seine Angst, vor der er sich

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