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Das Zimmermaedchen

Das Zimmermaedchen

Titel: Das Zimmermaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
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reparierte Stelle, die eine schwarze Wunde bedeckt. Im Zimmer 301 wackelt der Stuhl, zweimal hat Lynn zurechtgeknickte Papierstücke entfernen müssen, die von Gästen unter das linke hintere Stuhlbein geklemmt wurden, um beim Schreiben nicht ins Wippen zu geraten. In Zimmer 302 hat Lynn einmal einen lose herabhängenden Faden aus der Verkleidung des Lampenschirms geschnitten, niemand weiß das, aber beim Putzen des Lampenschirms sieht Lynn immer das Fehlen des Fadens im Innern der Lampenschirmverkleidung. In Zimmer 303 hat es Ansätze von Schimmel gegeben, als die künstliche Badlüftung einmal für zwei Wochen ausfiel, der Schimmel hat sich in die Fugen über der Badewanne genistet, und Lynn hat ihn mit ätzender Lösung bekämpft, was dazu führte, dass auch ein Teil des Silikons verschwand, zwar war nun alles wieder sauber, aber Lynn kann beim Putzen nicht über die von ihr verursachte leichte Vertiefung hinwegschauen. In Zimmer 304 hat ein Gast ein Loch in den Teppich gebrannt, runtergefallene Zigarette, und so gut sie konnte, hat Lynn versucht, das Loch auszubürsten, aber es ist ihr nicht gelungen, und sie hat kurz überlegt, die Stelle mit Ölfarbe zu überpinseln, hat aber Angst gehabt, alles nur noch schlimmer zu machen.
    Und Lynn nimmt Abschied von den Dingen, von Kleidern, Parfums, Medikamenten, von Schuhen, Büchern, Laptops, von Mappen, Heften, Stiften, von Koffern, Taschen, Badelatschen, von Lebensmitteln, Zigarettenpackungen und Aschestumpen, sie entdeckt etwas, das sie in all den Monaten noch nie gesehen hat, ein Gerät auf der Spiegelablage, einen Nasen- und Ohrhaarschneider, Lynn nimmt Abschied von Schminkkoffer und Puderdöschen, von Zetteln und Briefen, durch die sie ein letztes Mal wühlt, muss dich unbedingt sehen, steht da mit einem Herzchen und einer Telefonnummer, und Lynn fragt sich, wer da wen sehen will und weshalb und ob es verboten ist, was die beiden tun oder der Beginn einer legitimen Beziehung. Lynn putzt ein letztes Mal alles, was ihr in die Finger fällt, auch den Werbebleistift mit dem aufgedruckten Hotelnamen, der meist neu hingelegt werden muss, weil die Gäste ihn mit Erlaubnis stehlen. Lynn putzt sogar Dinge, die nicht in ihren Bereich fallen, die Handzahnbürsten hält sie unter Wasser und trocknet sie ab, sie putzt den Akku der elektrischen Zahnbürsten, der schmierig ist, weil der Gast die Zahnbürste nicht gesäubert hat und ein wenig von der verflüssigten Zahnpasta den Stiel hinunter auf den weißen Akku gelaufen ist, Lynn reinigt den Rasierapparat und die mitgebrachten Duschgelflaschen, sie bürstet Flusen vom überm Stuhl hängenden Sakko, sie reinigt die Unterseiten der Badelatschen und Pantoffeln, kippt einen versifften Kulturbeutel aus und wischt ihn von innen sauber, sie hofft, dass niemand etwas merkt und sich beschwert mit den Worten, was hat die Putze in meinen Sachen zu kramen, aber Lynn weiß, dass die Menschen schon lange den Blick für die Kleinigkeiten verloren haben, es geht nur noch ums Große, ums Grobe, um das, was man auf den ersten Blick erkennen kann.
    Lynn versetzt den Therapeuten. Sie ruft ihn nicht an, meldet sich nicht ab, geht einfach nicht hin, sie stellt sich den Therapeuten vor, in seinem Lehnsessel, in diesem widerlichen roten Lehnsessel, dessen Unterseite bestimmt noch nie geputzt worden ist, Lynn sieht Schlick vor sich, wie er allein in seinem Dämmerzimmer ins Leere nickt, eine Schildkröte mit rotem, klebrigem Lehnsesselpanzer, und währenddessen sitzt Lynn in der Lounge, hat die Putzuniform in ihren Spind gehängt, sitzt dort in ihren Alltagsklamotten, in denen sie sich immer unwohler fühlt, je länger sie hier arbeitet, sie blickt auf die sitzenden, trinkenden, stehenden, ankommenden und abreisenden Gäste, Hektik und Ruhe, gemäßigte Schritte, eilige, und Lynn hört Lachen und Nasehochziehen, sieht übereinandergeschlagene Beine und solche, die wie eine geöffnete Schere gespreizt sind, sieht schwarze, braune Schuhe, hohe, flache, ein letztes Mal ordnet sie in ihrem Kopf die Menschen den Dingen und Zimmern zu, erstellt ihren letzten eigenen Belegungsplan, ehe sie ihr Getränk austrinkt und sich vom Portier verabschiedet und aus dem Hotel geht, wo sie Heinz in die Arme läuft, der noch einmal lächelt und sagt: »Immer noch hier?«
    »Ja«, sagt Lynn.
    »Ich denk, du hast Urlaub?«
    »Morgen.«
    »Du hast schon seit drei Stunden frei.«
    »Gab noch einiges zu tun.«
    »Und? Weißt du jetzt, wohin?«
    »Mhm.«
    »Karibik,

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