Das Zimmermaedchen
was?«
»Mhm.«
»Allein?«
»Nein.«
»Nicht?«
»Doch.«
»Was jetzt?«
»Reisegesellschaft.«
»Singles?«
»Mhm.«
»Genieß das mal.«
»Mach ich.«
»Du hast genug geschuftet.«
»Mhm.«
»Dann viel Spaß.«
»Danke.«
Lynn verlässt das Hotel.
Sie schaut noch mal zurück.
Sie denkt: Bald werd ich selber Gast sein.
Im Hoboen-Hotel.
Es ist acht. Lynn kann nicht unters Bett. Nicht heute. Nicht am Freitag. Das wäre zu gefährlich. Wer weiß schon, wie lange der Gast schläft. Lynn muss am Samstag pünktlich am Bahnhof sein. So verbringt sie die letzte Nacht vor dem Flug in ihrer eigenen Wohnung. Dazu schaut sie zwei Filme. Hätte nicht sagen können, welche. Die Augen ohnehin geschlossen.
14
A m Samstag steht Lynn mit Rucksack am Bahnhof, es ist erst sieben, noch eine Stunde muss sie warten, sie hält Ausschau, ich bin nicht mehr ich selbst, mit mir fängt es neu an jetzt. Es kann sich nur noch um Minuten handeln. Es wird halb acht. Niemand zu sehen. Es wird Viertel vor acht. Lynn schaut sich die Augen aus. Es wird drei vor acht. Lynn steht immer noch dort, allein. Der Zug fährt ein. Hat keine Verspätung. Der Zug, denkt Lynn, er fährt noch schnell genug, man könnte ihm problemlos vor den Bug stolpern. Dann ist die Lok an ihr vorbei, der Zug wird langsamer, bleibt stehen, Türen schweben zur Seite, Geisterhand im Spiel, Ausstieg vor Einstieg, doch Schieben und Stoßen bleiben aus, nicht viele Leute unterwegs. Nach zwei Minuten hat der Zug lange genug ausgeschnauft, Türen flüstern, wenn sie sich schließen, nur langsam bringt der Zug seine Masse in Bewegung, pünktlich, sogar sehr pünktlich, Lynn hat Uhr im Blick.
Weder Lynn noch Chiara sitzen im Zug.
Lynn schaut hinterher.
Keine Rücklichter zu sehen.
Sie spürt Schmerz und Erleichterung zugleich.
Sie braucht Chiara nicht anzurufen, sie weiß auch so, was Chiara sagen wird. Tut mir leid, wird Chiara sagen, du hast da wohl was falsch verstanden. Ja, es ist fast, als hörte Lynn auf dem Bahnhof Chiaras Stimme. Schon gut, sagt Lynn, und Chiara fragt, dann sehen wir uns nicht mehr jetzt? Nein, sagt Lynn, dann sehen wir uns nicht mehr jetzt. Da steht Lynn am Bahnhof, den Rucksack neben sich, mit Tickets und ausreichend Geld für zwei Wochen Urlaub in der Tasche, aber sie weiß, dass es zu spät ist, nicht nur für den Zug, nicht nur für den Flieger, nicht nur für den Urlaub, und Lynn hat nie an Palmen gedacht, an Postkartenstimmung, nie hat sie an endlose Sandstrände gedacht, nie ans klare Wasser, sie hat nie an die Sonne gedacht und ans Licht, nein, wenn sie sich den Urlaub vorgestellt hat, mit Chiara, dann hat Lynn immer nur ans Hotel gedacht, in dem sie übernachtet hätten, immer nur ans Hotelzimmer, an Schwanen-Handtücher, an die Spiegel, an den Ventilator, hat immer nur an mögliche Flecken auf dem Teppich gedacht, die sie finden und entfernen würde, hat immer nur an Staub gedacht, hat immer nur gedacht, auch im Urlaub wird es Staub geben, wenn auch sandigen Staub, hat sich immer nur vorgestellt, wie sie Chiara bitten würde, sich unter ihr Bett zu legen, für eine Nacht nur, hat immer nur sich selbst gesehen, wie sie oben liegt, im Bett, und Chiara darunter, im Schatten, ja, hat Lynn gedacht, ich möchte, dass einmal nur jemand unter meinem Bett liegt, ich möchte, dass einmal nur jemand meinem Leben horcht.
Ein Mann berührt sie an der Schulter.
»Alles in Ordnung?«, fragt er.
Lynn schaut auf den Rucksack, auf den Mann ihr gegenüber.
»Ist was passiert?«, fragt er.
Lynn spricht, weiß nicht genau, was, spricht, um nicht merken zu müssen, dass ihr Gesicht nass ist, als hätte es geregnet, aber der Bahnhof ist überdacht.
»Wenn ich Ihnen helfen kann?«, fragt der Mann.
»Nein, nein.«
»Haben Sie Ihren Zug verpasst?«
»Mir geht’s gut«, sagt Lynn und weiß nicht, ob die Nässe in ihrem Gesicht vom Schmerz herrührt oder von Enttäuschung oder von Erleichterung oder von Vorfreude darauf, dass sie noch heute ins Eden zurückkann.
Lynn schaut auf die Uhr und denkt daran, dass sie nur wenig verspätet zur Arbeit kommen wird, sie nimmt ein Taxi, springt vorm Hotel raus, bezahlt den Fahrer und ist seltsam aufgeräumt, wie befreit, und der Portier sagt, ich denk, du hast Urlaub, und sie sagt, ach was, Urlaub, doch in diesem Augenblick sieht sie Heinz, der auf sie zukommt und nur ein Wort sagt: Nein. Zum ersten Mal, seit sie hier arbeitet, wird Heinz lauter, er sagt, das komme nicht in Frage, das lasse er nicht
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