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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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die oberen Räu m l i chkeiten nicht betreten. W er i m mer die s es Schiff führte, traute den eigenen Leuten nicht.
    » W o ist die Mannschaft ? «
    »Auf Landurlaub. Das hier m uss keiner von ihnen sehen.«
    Jakob deutete m it einem beiläufigen W i nk auf Masken.
    »Er hat die unschöne Angewohnheit, zu schreien, wenn m an ihm w e htut.«
    »Sie soll rauskommen.«
    »Sie ist bei dem Kind.«
    »Bei dem …« Sie hob beide Augenbrauen. »Der Junge ist hier? Der Avatar?«
    Jakob nickte. »Natürlich. Ohne ihn geht sie nirgendwo  hin.«
    Chiara blickte sich erneut u m . Es gab keine weiteren Türen, nur eine offene W endeltreppe, die nach unten führte.
    »Jula!«, rief sie. »Komm herauf!«
    Aber nicht Jula reagierte auf ihren R uf, sondern Masken. Schwerfällig hob er den Kopf. »Sie sind alle … wahnsinnig.«
    Jakob m achte drei, vier b l itzschnelle Schritte in Richtung des Gefangenen und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. Masken stöhnte leise und funkelte Chiara has s er f üllt an, s o als hätte sie ihm den Schlag versetzt.
    »Jakob!« Si e deutete m it dem Revolver zur Seite. »Lass ihn! Und nimm, verd a m mt noch ma l , die Hände hoch!«
    Er wirbelte heru m , m it zor n igem Blick. »Schlu s s da m it, Chiara. Du wirst n i cht auf m i ch schießen, nur weil i c h nicht nett zu unserem Freund hier bin. Ich habe nicht vor, dich anzugreifen.« Sein Grinsen war höhnisch. »Du könntest sonst wütend auf m i ch werden.«
    »Der Mann, der bei den Dreharbeiten verbrannt ist, war dein … Original, oder ? «
    »Dazu war es gerade noch zu gebrauchen.«
    »Aber waru m ? W arum musste er s t erbe n? « Noch während sie sprach, dachte s i e d aran, dass sie selbst d rauf und dran gewesen war, die andere zu töten. Aber das wäre ein Akt de s Mitleids gewes e n, nicht der … ja, was? Bosheit? Götzenverehrung?
    Aber m achte es das m enschlicher? O der richtiger?
    »Er m usste verschwinden, so oder so. Und warum nicht auf diese Weise? Film ist die Kunst der Illusion, jedes Kind weiß das. Und wer hätte geahnt, dass das F eueropfer  keine Illusion war, wenn der S chauspieler bei der Pre m iere höchst lebendig vor die Leinwand tritt ? « Jakob lächelte. » D ie Quintessenz dessen, was ich versucht habe, dir beizubringen – immer w a hrhaftig sein, immer echt. Zu m al, wenn es um etwas Höheres geht als nur um einen schlichten Fil m .« Er warf M a sken einen kalten S eitenblick zu. »Da m als waren wir n och eine e i n zige gro ß e Fa m ilie.«
    »Die Anbetung war echt, oder? Ihr habt Jula zu eurem  Götzen gemacht.«
    Masken spuckte, ein blutiger Fleck erschien auf Jakobs Schuh. Angewidert wischte er ihn an Maskens Hosenbein ab und holte zu einem weiteren Schlag aus.
    Chiara drückte ab.
    Die Kugel schlug in Jakobs Oberschenkel. Mit einem Aufschrei brach er in die Knie, starrte ungläubig auf das blutende Loch in seiner Hose und fluchte.
    »Scheiße! D u dä m liches Miststück!«
    Sie achtete nicht auf ihn, ebenso wenig wie auf ihr eigenes Zittern. Ein eigenarti g es Gefühl von Triumph stieg in ihr au f .
    Bei einer anderen Gelegenh e it h ätte sie si c h da f ür geschä m t . Jetzt aber verlieh es ihr n e u e Entschl o s s enheit.
    »Binden Sie … m i ch los«, brachte Masken keuchend hervor. Aus der Nähe sah sie, dass seine Mundwinkel aufgerissen waren. Schlim m er noch, je m and hatte m i t einem Messer nachgeholfen. Als hätte er versucht, Masken ein breiteres Lächeln ins Gesicht zu schneiden.
    »Ich denke nicht dran«, sagte sie.
    Konnte Jakob sie trotz der Verletzung noch angreifen? Möglicherweise. Aber sie konn t e ihn nicht fesseln, selbst wenn sie ein weiteres S t ück Seil a u fgetrieben h ätte. Dazu hätte sie d i e Waffe weglegen m üssen.
    » W enn du ei ne Bewegung m achst, schieße ich dir in die
    Schulter«, sagte sie.
    Jakob starrte sie wutentbrannt an. S ein Blick folgte ihr, als sie zur Wendeltreppe ging.
    »Jula«, rief sie in die Ö ffnung hinab. »Ich will m it dir reden.«
    Jakob lachte, aber es klang nicht wie das Kichern, das sie vorhin durchs Fenster gehört hatte. Das war das Kichern eines Kindes gewesen, eines vergnügten kleinen Jungen.
    Sie rechnete m it allem, als sie langsam die Stufen hinabstieg. Selbst da m i t, dass Jula sie dort unten erwarten und auf sie schießen würde, wenn sie ihr gegenübertrat.
    Die W endeltreppe endete in einem kleinen Raum voller Bücher. Nun wusste sie, wohin Jula all die Bände aus ihrer Bibliot h ek gebrac h t h atte. S i e waren

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