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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Mann nicht hinter der Ecke stehen. Chiara war gut zehn Meter von ihm entfernt, als er an die Reling trat und nach unten blick t e. Er rief zwei oder drei N a m en, die skand i navisch klangen. Mannschaft s m itglieder, v er m utete sie.
    Als nie m and antwortete, wurde sein Tonfall lauernder:
    » W er ist d a ?«
    Chiara richtete die W a ffe auf ihn und war überrascht, wie wenig sie zitterte, wie gefasst sie war. Und das, obwohl sein Anblick ihre Befürchtung bestätigte. Es war seine Stimme gewesen. Sie hatte sich nicht geirrt.
    »Hallo, Jakob«, sagte sie im selben Mo m ent, als er sich zu ihr u m drehte. Er m uss t e sie aus dem Augenwinkel wahrgenom m en haben.
    »Chiara.« Keine Überraschung, keine Frage, keine Begrüßung. Nur ihr Na m e, m erkwü r dig tonlos ausgesprochen. Sein Blick streifte die Revolvermündung, suchte dann ihre Augen.
    »Ich denke, ich m uss dir einiges erklären.«
    »Hast du eine W affe ? «, fragte sie.
    »Nein.«
    »N i m m die Hände hoch und dreh dich langsam um.«
    »Chiara, bitte, wir sind hier nicht im Fil m . I c h habe keine Pistole im Ho s enbund stecken oder so was.« Trotzdem tat er, was sie verla n gte. In der Dunkelheit hätte er ein Gewehr sa m t Bajonett auf dem Rücken tragen können, sie hätte es nicht gesehen.
    Sie warf einen nervösen Blick auf die verhängten Fenster zu ihr e r Li n ken. Theoretisch konnte jeden Augenblick je m and durch das Glas auf sie schießen.
    » W er ist noch da drinnen ? «, fragte sie.
    » W er ist noch hier draußen?«
    »Hör auf da m it, Jakob. Ich werde schießen, wenn es sein muss.«
    »Natürlich.« Er klang alles andere als überzeugt. »Aber das wird nicht nötig sein. Im Grunde bin ich auf deiner Seite.«
    »Sicher.«
    »Komm m it rein – dann g l aubst du m i r vielleicht.«
    Sie ging langsam auf ihn zu, ohne die W affe zu senken. Der Regen war stärker geworden, ihre Jacke und Hose waren völlig durchnässt. Aber sie fror nicht, trotz des eisigen W i ndes, der vom Fluss her über das Deck strich.
    Zwei Schritte, dann war sie auf Höhe der offenen Fenster. Die Sicht war durch den Regen verschwom m en, aber s i e reichte aus, u m einen G r oßteil des Salons zu erkennen. Si e sah nur eine Person, den gefesselten Mann auf d e m Stuhl. Man hatte ihn wieder aufgerichtet.

Es   war   Masken.   Er   bewegte   s i ch   nicht,   sein   Kinn   lag  schwer auf seiner Brust.
    »Hast du ihn gefoltert?«, fra g te sie, während sie s i ch  Jakob näherte.
    »Er hat’s verdient, oder?«
    D e m konnte sie nicht widersprechen.
    »Glaub m i r, wir sind auf deiner Seite«, sagte er noch ein m al.
    » W ir?«
    Mit einer der erhobenen Hände winkte er ab. »Hör schon auf. Du kennst doch die W ahrheit, sonst wärst du nicht hier.«
    »Dreh dich u m . Geh voraus.«
    Er zuckte die Achseln. »Na gut.«
    Sie war zwei Meter hinter i hm . S i e traten um die Ecke und vor die offene Salontür. Regen fegte ins Innere und versickerte in weinroten Perserteppichen.
    »Soll ich reingehen ? «, fragte er.
    »Nein. Ich stehe gern im Nassen.«
    Er lachte leise und trat ein. Sie folgte ih m . R e chts und links der Tür hätte ihr je m and aufl a uern können, doch da war nie m and. Sie war viel zu angespannt, als dass sie das hätte erleichtern können.
    »Besuch ist da«, sagte Jakob vergnügt in Maskens  Richtung.
    Die zusam m engesunk e ne Gestalt auf d e m Stuhl rührte sich nicht. Maskens Hände w a ren um seine Knie gekrallt; m an hatte die Unterar m e an seinen Oberschenkeln festgebunden. Chiara sah schwarze Punkte auf beiden Handrücken. Brandwunden.
    »Ist er tot ? «
    » W ürde ich dann m it ihm reden ? «
    »Gott, verdammt, Jakob … Ist er tot.«
    »Nein. Darf ich m i ch wieder zu d i r um drehe n ?«
    Sie blickte auf den Revolver l auf und sah das W asser, das von der Mündung tropfte. Sie wischte es rasch an ihrer Hose ab, ehe sie sagte: »Von m i r aus.«
    Er wandte sich u m . »W a s wollen wir jetzt tun ? «
    » W o sind die anderen?«
    »Versprichst du, nicht w i e eine Schwachsinnige heru m zuballern ? «
    »Kom m t g a nz darauf an.«
    Er hob aber m als die S c hultern. »Dann werden wir wohl noch eine Weile unter uns bleiben.«
    Chiaras Blick suchte den Salon ab. Die teure Einrichtung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier eine Zeit lang nicht sauber gemacht worden war. Die goldenen Zierleisten und Oberflächen war stu m pf und dunkel geworden. Auf ein e m Esstisch stand benutztes Geschirr.
    Vielleicht durfte die Crew

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