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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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hat.«
    »Ich habe sie anders in Erinnerung.«
    »Sie haben eine andere Jula in Erinnerung«, sagte er m it Nachdruck. »Vergessen Sie das nicht. Sie hat sich verändert in den v e rgangenen Jahren. Sie war nicht m ehr das Mädchen, das in jugendli c hem Über m ut von zu Hause fortgegangen ist.«
    Die Vorführung in Maskens privatem Fil m raum dauerte eine gute Stunde, in der sie alle fertigen Szenen des Fil m s drei m al hintereinander ansah e n. Das wenige, das beendet worden war, reic h t e in d er fertig g e s chnittenen F orm kaum für fünfzehn Minuten. Dabei handelte es sich größtenteils  um Sequenzen, in denen Jula nicht ein m al auftrat. Ohnehin war dies eine seltsa m e Rolle: Lady Madeline do m i nierte den Film, war in gewisser W eise die Hauptfigur, obwohl sie kaum zu sehen war. Manch m al im Hintergrund, hin und wieder als Sche m en, der durch die Gänge geisterte und von Poe aus der Ferne beobachtet wurde. Für Chiara b lieb weni g er zu tun, als sie angenom m e n hatte. Auf der einen S eite war sie deswegen erleichtert, fast dankbar; a ndererseits bedauerte sie es, gerade jetzt, da sie begonnen hatte, sich da m i t anzufreunden, dass die R olle so wenig von ihr forderte.
    Masken er kl ärte ihr, da s s auch am Ende des Fil m s noch einiges ausstehe, Kleinigkeiten des K a m pfes zw ischen ihr und Roderick, eine Totale hie r , ein paar Detailaufnah m en dort. Auch das nahm sie m it ge m i schten Gefühlen auf, bedeutete es doch, dass sie nic h t nur die frühe, ätherische Madeline darstellen m u sste, sondern auch die Wahnsinnige. Dabei musste s i e nicht nur ihre eigene H e m m schwelle überwinden, sich eventuell lächerlich zu m achen – sie m usste auch gegen J u las vorbildhafte Szenen anspi e len.
    Masken tätschelte ihre Hand. »Machen Sie sich keine Sorge. Sie schaffen das. W i r alle sind ja da, um Ihnen zu helfen.«
    Vielleicht war gerade dies das Proble m . Sie m u sste vor Masken aus sich herausgehen, m usste eine andere werden. Sie würde so schutzlos sein wie nie m als zuvor. Sich derart vor ihm zu öffnen, widerstrebte ihr. Es war, als würde sie ihm d a m it ihre Seele verkaufen.
    Der Vorführraum war noch abg e dunkelt, als sie aufstand und sich zum Ausgang wandte. Sie sah gerade noch, wie je m and durch den Türspalt huschte und verschwand.
    » W er war das ? «, fragte sie a l ar m i e r t. Sie h a tte nic h t  be m erkt, dass sich noch je m and im Raum aufgehalten hatte.
    Masken lächelte. »Torben Grapow.«
    » W arum haben Sie m i r nicht gesagt, dass er hier ist ? «
    » W eil er m i ch darum gebeten hat.«
    »Das ist doch albern!«
    »Er m ag so was. Er nennt das den Charakter bewahren.  Er m eint den Fil m charakter, natürlich.«
    » W as soll d as heiße n ?«
    »Dass er Ihnen zum ersten M al in s e i n er Rolle gegenüberstehen will. S i e haben ihn jetzt als Edgar Allan Poe in den paar Szenen auf der Leinwand gesehen, und bei Ihrer ersten Begegnung im Atelier wird er dasselbe Kostüm tragen und genauso gesch m inkt sein. Er ist dann Poe.«
    »Er ist ein S pinner.«
    Masken lachte gut m ütig. »Mag sein. Aber ein talentierter  Spinner. W u ssten Sie, dass ich ihn entdeckt habe?«
    Wen eigentlich nicht ? , d achte sie. »Ja. Für de n Adlatus des Paracelsus.« Sie kam nicht von dem Gedanken los, dass die ganze Zeit über j e m and in der let z t e n Reihe gesessen hatte, verborgen in der Dunkelheit. Er hatte sie beobachtet und jedes Wort gehört, das sie mit Masken gesprochen hatte, jede ihrer Be m erkungen über die Schauspieler, auch jene über Gra p ow selbst; nicht a l le waren positiv gewesen. Wo m öglich hatte sie da m it bereits einen Keil zwischen ihn und sich getrieben, bevor sie einand e r ü b erhaupt v o r g est e llt wor d en waren.
    W i eder eine von Maskens Manipulationen. Grapows Wunsch war ihm gewiss sehr entgegengekom m en. Er wollte n i cht, dass sie a nderen näh e r kam als ihm selbst, gönnte ihr keine Gelegenheit, sich seinem Einfluss zu
    entziehen.
    »Haben Sie Lust, es s en zu gehe n ? «, fragte er, als er da s Licht eins c halt e te. H e lligk e it flutete über die Leinwand und vertrieb die letzten E i ndrücke von Kubins bizarren Kulissen.
    »Nein.«
    »Sie sind m i r doch nicht böse ? «
    Sie drehte sich um und ging zur Tür. »Ich habe keinen  Hunger, danke.«
    Halbherzig hatte sie gehofft, Grapow doch noch draußen anzutreffen, aber der Vorraum war l eer. Von Plakaten und gerah m ten Fotografien starrten Jula und andere Fil m stars

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