Das zweite Gesicht
aufregend und sie entspre c hend nervös sein wurde. Stattdessen aber war sie schon bald die Ruhe selbst, und die langen U m bauten und W artereien auf verändertes Licht langweilten sie. Götzke zog sich m eist m it einem Buch in ei n e Ecke d es Ateliers z u rück, Grap o w testete seinen Allerwelt s char m e, und Masken stritt sich unablässig m it d e m K a m er a m ann und seinen Beleuchtern. Kubin sprang derweil mit Pinsel und Farbei m er durch die Kulissen, dirigierte zwei Assistenten und referier t e ausgiebig über das Verhältnis gemalter Schattierungen zu jenen, die Scheinwerfer und Requisiten erzeugten.
Chiara saß gähnend in einem Sessel und wartete auf die Maskenbildnerin m it Puderquaste und Sch m inkkoffer, als einer der B ühnenbildner auf sie zuka m . Er st ellte sich nicht vor und k a m ohne U m schweife zur Sache: Falls sie Bedarf an Arzneien jeglicher Art habe, sei er der Mann, an den sie sich vertrauensvoll wenden könne. Mit Arzneien, das fand sie bald heraus, m einte er Kokain, Morphium und Heroin – letzteres in begre n zter Menge, und sie m üsse ein wenig Geduld m it der Besorgung haben.
Irritiert und neugierig zugle i ch f r a gte sie l e i s e: » W as hätte m eine Schwester gesagt, wenn Sie ihr dieses Angebot ge m acht hätten ? «
Er grin s t e u nd klop f te auf die ge f üllten Tasc he n seines Arbeitsanzuges. » W ar eine m einer besten Kundinnen. W ar ein gutes Mädchen, hatte einen guten Gesch m ack. Sie m achen nichts falsch, wenn Sie die W are von m i r beziehen, wirklich nic h t . «
» W ie oft hat Sie denn bei Ihnen … eingekauft ? «
Seine Haltung wurde eine Spur ablehnender, er runzelte die Stirn. »Ich rede nicht über meine Kundschaft, das gehört zum Geschäft. Also – wollen Sie nun was oder nicht ? «
»Danke. Ich schätze, ich habe alles, was ich brauche.« Nachdem er sich wieder unter die übrigen Bühnenarbeiter gemischt hatte, ging sie hinüber zu Masken und erzählte ihm alles. Er war gerade wieder in einer seiner Diskussionen mit den Beleuchtern und ließ sich nur ungern unterbrechen, zumal ihn sogleich alle anstarrten und auf seine Reaktion warteten. Mit einem Seufzen ließ er sich von ihr den Bühnenarbeiter zeigen und gab dann lautstark Anweisung, ihn aus dem Atelier zu werfen, er wolle ihn hier niemals wiedersehen und er dürfe sich glücklich schätzen, dass Masken nicht sofort die Polizei rufe – was Chiara eigentlich erwartet hatte.
Als sich der Aufruhr gelegt hatte u n d alle zurück an die Arbeit gingen, packte Masken Chiara grob am Arm und zog sie hinter die Kulissen. Dort, wo nie m and si e sah, ließ er sie los und baute sich wütend vor ihr auf.
»Tun Sie das nie m als wieder!«
Sein Zorn überraschte sie. Dennoch hielt sie seinem Blick stand und stem m t e die H ä nde in die Taille. » W ie, zum Teufel, m einen Sie da s ? «
»So wie ich’s gesagt habe. Ich kann hier nie m anden gebrauchen, der sich als Moralapo s tel aufplustert, s ch o n gar nicht vor allen Leuten!«
Sie starrte ihn an. »Das ist nicht Ihr Ernst.«
»O doch, das ist es. Drogenhänd l er gibt es ü b erall, an jeder S t ra ße necke, in j e dem Café und jeder Bar. Und in jedem Filmatelier. W e nn Sie nichts haben w ollen, gut, dann sagen Sie ihm das. Er hät t e Sie nic h t m ehr belä s tigt. Aber dieser Aufstand … liebe Güte, so was lenkt nur alle von der Arbeit ab.«
»Aber er hat Kokain an Jula verkauft und …«
»Und an jeden anderen, der schon mal eine Ka m era von nahem gesehen hat. Na und? Das gehört dazu. S i e werden sich daran gewöhnen. Was soll’s? Das Zeug ist verboten, aber es schadet nie m ande m . Sehen Sie sich an, was in A m erika passiert. Dort ver b ieten sie den Alkohol, aber hält das irgendwen davon ab, welchen zu trinken ? «
Sie wusste nicht viel über Drogen, nur, dass sie angeblich schädlich seien und der Verkauf unter Strafe gest e llt wo r den war. Sie hatte geglaubt, Mask e n sei i h r dankbar, w enn sie verhinder t e, dass während seiner Dreharbeiten illegale Geschäfte getätigt wurden. Vielleicht hatte Jula die Drogen, m it denen sie sich das Leben genommen hatte, bei diesem Mann gekauft. Chiaras Meinung nach reichte das aus, um den Kerl aus dem Atelier zu werfen. Sie würde sich nicht ei n reden las s en, dass ihre R eaktion naiv oder überzogen ge w esen war, nein, ganz bestim m t nicht.
»Hören Sie«, sagte Masken, »Sie werden sich daran gewöhnen. Wahrscheinlich wird es nicht lange dauern, bis Sie es
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