Das zweite Gesicht
bester Ordnung.«
»Ich kann mich nicht an den Unfall erinnern«, sagte sie. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Masken von ihr zu Doktor Jensen schaute, aber der Blick des Arztes blieb auf sie gerichtet.
»Das ist eine ganz natürliche Reaktion Ihres Gehirns«, sagte Doktor Jensen sanft. »Mit d er Z e it wird sich Ihre Erinnerung ver m utlich wieder ein s tellen, und wenn nicht oder nur verschwomm e n … nun, seien Sie dankbar. Ihr Gedächtnis will Sie s c h ützen, das i s t alles.« Sein Lächeln wurde für einen Augenblick skeptisch. »Oder gibt es noch andere Dinge, die Sie vergessen haben ? «
»An den Abend kann ich m i ch erinnern, auch an ein,
Stück der Fahrt. Es scheint nicht allzu viel zu fehlen.«
Der Arzt ni ckte zufrie d en. »Dann kehrt wahrscheinlich auch der Rest zurück, früher oder später.«
» W ie lange liege ich schon hier ? «
»Der Unfall war vor drei Tagen.«
»Gott, und ich habe die ganze Zeit geschlafen ? «
Dies m al gab Masken die Antwort. »Nein, Sie waren ein paar Mal w ach. Sie haben sogar m it m i r gesprochen. Und m it Ursi. Wir haben uns m ehr oder weniger hier am Bett abgewechselt.«
Verwirrt blickte sie von i h m zu Doktor Jensen, der zustim m end nickte. Sie wandte sich wieder an Maske n .
»Ich … tut m i r Leid, das wusste ich nicht. Das war sehr …
freundlich.«
Masken winkte ab. »Vor all e m war’s selb s t ver s t ä ndlich, nicht wahr? Ein paar andere wollten Sie eben f alls sehen. Diese Kol u mnistin …«
»Henriette Hegenbarth.«
»Die Hegenbarth, genau. Sie hat irgendwie W i nd von der Sache bekommen, aber wir haben sie natürlich nicht an Sie ran g elassen. Ein paar Kollegen haben auch nach Ihnen gefragt. Torben Grapow war hier, hätten Sie das gedacht ? «
»Bei m i r im Z i m m er ? « Die Vorstellung irritierte sie. Sie hatte Grap o w nie beso n ders ge m ocht, aber jetzt rührte es sie, dass er s i e hatte bes u chen wollen.
»Er war nicht im Z i mmer, nur an der Pforte«, sagte der Arzt.
»Und noch ein paar andere. Sie w erden eine hübsche W i edersehensparty geben können, wenn Sie wieder nach Hause kom m en.«
Sie bezweifelte, dass i h r dann nach einer Party zu m ute sein würde, nickte aber, um ihm eine Freude zu m achen. Er sagte, d ass sie in späte s tens zwei Tagen die Klinik verlassen könne, dann verabschiedete er sich bis zur nächsten Visite.
Sie wandte s i ch an Mas k en. »Ist Jakob hier gewesen ? «
»Nein. Ich bezweifle, dass man ihn vorgelassen hätte … Aber, nein, er hat’s nicht mal versucht.«
Enttäuscht schloss sie die Augen. »Ich glaube, ich möchte jetzt wieder schlafen.«
»Das heißt, dass Sie mich loswerden wollen, stimmt’s?« Sie blickte noch einmal zu ihm auf, als er sich vom Stuhl erhob. »Ich bin wirklich nur müde, das ist alles. Vielen Dank, dass Sie hier waren und sich um alles gekümmert haben … Das war sehr nett von Ihnen.«
Masken lächelte ein wenig beschä m t , ein m ehr als ungewohnter Anblick. Dann nahm er seinen Mantel und ging zur Tür.
»Bald sind Sie wieder auf den Beinen, ganz bestimmt.« Sie nickte ihm zu. »Klar.«
Er zog die T ür sanft hinter sich zu, als er hinausging. Chiara stieß einen erleich t erten Seufzer au s , als s i e
endlich allein war. W arum war Jakob nicht
hergekommen? Der Gedanke war sch m erzhafter, als sie sich einge st ehen wollte. W eshalb hatte er sich nic h t erkundigt, wie es ihr ging? Nach einem sol c hen Abend wäre dies das Mindeste gewesen.
Die Enttäuschung nagte noch an ihr, als sie wieder einsc h lief.
Das nächste Mal erwa c hte sie m itten in der Nacht und lag für Stunden wach, grübel t e, betastete die Bandagen über ihrem Bauch und überlegte, ob sie die Klinik nicht schon am nächsten T ag verla s sen sollte. D och wohin würde sie dann gehen? Nach H a use, hatte der Arzt gesagt. Aber sie hatte kein Zuhause, nur eine unpersönliche Sui t e in einem Hotel. W äre sie b e i d e m Un f all u m s Leben gekommen, hätte m an ihre Kleider in ein paar Kisten gestopft und die Räu m e an den nä c hsten Gast ver m ietet. Nichts, das verändert w erden m usste, keine Spuren ihrer Anwesenheit, die es zu beseitigen galt. Sie hätte nichts hinterlassen.
Eine W eile be m itleidete sie sich selbst, dann ri s s sie si c h zusam m en und fasste den Entsc h luss, dass sie, sobald sie hier raus war, eine Menge an ihrem Leben ändern würde.
* Nie m and wusste, wo er stec k te.
Die Halle, in der Jakob seinen Schauspielunterric h t ert e ilte,
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