Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
reichte. »Thane.« »Hengest.«
    Der Müller sah zu Ælfric. »Lauf, hol deine Mutter.«
    Der ältere der beiden Jungen ging folgsam ins Haus.
    Hengest und Cædmon setzten sich auf die Bank vor der Mühle und fanden nichts zu sagen, wie meistens in den letzten Jahren. Hengest nahmCædmon übel, welche Rolle er bei der Niederschlagung des letzten angelsächsischen Widerstandes in Ely gespielt hatte. Er wußte natürlich nicht genau, was sich im einzelnen abgespielt hatte. Aber Edwin of Mercia war tot, Morcar ein Gefangener in Rouen, Hereward »der Wächter« seit Jahren spurlos verschwunden. Und Cædmons eigener Bruder war tot, während Cædmon selbst lebte und höher denn je in der Gunst des normannischen Königs stand. Mehr brauchte Hengest nicht zu wissen. Cædmon seinerseits verübelte dem Müller seine rebellische Gesinnung. Vor allem aber verübelte er ihm, daß er Gytha geheiratet hatte. Auf Etienne fitz Osbern war er niemals wirklich eifersüchtig. Er dachte so selten wie möglich daran, was sich zwischen Etienne und Aliesa abspielte, aber die Tatsache an sich hatte ihn nie wütend gemacht. Hengest hingegen hätte er am liebsten den Hals umgedreht. Dabei war es doch Aliesa, die er liebte, nicht Gytha. Er hatte ungezählte schlaflose Nächte damit zugebracht, seine Gefühle zu erforschen und zu versuchen, diesen eigentümlichen Widerspruch zu begreifen. Aber alles, was er erreicht hatte, war, zu der Erkenntnis zu gelangen, daß der Verstand in diesen Angelegenheiten keine große Rolle spielte.
    »Ihr wollt die Jungs mit nach Helmsby nehmen?« fragte Hengest. Es klang neutral, aber die Furchen auf seiner Stirn hatten sich fast unmerklich vertieft.
    »Wenn ihre Mutter einverstanden ist, ja.« Er wollte nicht deutlicher werden. Aber was er meinte, war: Was geht es dich an?
    Hengest sah auf das kleine Kleefeld in der Wiese vor ihnen und nickte. »Kann ich Euch ein Bier anbieten, Thane?«
    Früher hast du es geholt, ohne zu fragen. »Nein, vielen Dank.«
    Beide Männer waren erleichtert, als Gytha aus der Mühle kam. Sie führte den dreijährigen Hengest an der Hand und hielt den sechs Monate alten Oswin im Arm. Ælfric folgte ihr dicht auf den Fersen, und Wulfnoth glitt unauffällig an ihre Seite.
    Cædmon erhob sich und trat lächelnd zu ihr. »Gytha.«
    »Da bist du also.« Sie sah ihm nicht in die Augen.
    »Da bin ich«, sagte er mechanisch. Er sah auf das schlafende Baby in ihren Armen, und als er den Kopf hob, trafen sich ihre Blicke unbeabsichtigt. Er lächelte. »Du bist wirklich reichlich mit Söhnen gesegnet.« Auch ihre Mundwinkel verzogen sich verräterisch nach oben. »Es kommt wieder eins. Ich bete, daß es eine Tochter wird. Du kannst dir nicht vorstellen, wie gern ich ein kleines Mädchen hätte.«
    Er nickte. »Nun, dann werden es vermutlich Zwillingssöhne.«
    Sie lachte ihr glockenhelles Mädchenlachen. Dann fragte sie: »Ælfric sagt, du willst ihn und Wulfnoth für eine Weile mitnehmen?«
    »Wenn du einverstanden bist, ja.«
    »Wir haben jetzt viel Arbeit hier in der Mühle«, bemerkte Hengest, der immer noch in seinem Rücken auf der Bank saß. »Wir können eigentlich nicht auf Ælfric verzichten.«
    Cædmon wandte sich nicht um. Zu Gytha sagte er: »Aber Ælfric wird niemals Müller von Metcombe werden, das wissen wir alle.«
    Gytha nickte und verzichtete darauf, die durchaus berechtigte Frage zu stellen, was statt dessen aus Ælfric werden sollte. Und aus Wulfnoth. Vermutlich hätte sie es getan, wenn sie allein gewesen wären. Aber Hengests Anwesenheit machte sie befangen. Pflichtschuldig sah sie zu ihrem Mann hinüber. »Ich bin einverstanden, wenn du es bist.«
    Der Müller nickte, ohne zu zögern. »Schön, meinetwegen.«
    Es gefiel Cædmon nicht, daß seine Söhne ihm erst auf Erlaubnis des Müllers übergeben wurden, und er rächte sich, indem er nur sagte: »Dann verabschiedet euch von eurer Mutter, Jungs.«
     
    Er hatte wenig Übung darin, ein Vater zu sein, aber als sie in Helmsby waren, lief es reibungsloser als erwartet. Aliesa entwickelte sofort eine Schwäche für den stillen, verschüchterten kleinen Wulfnoth, der mehr Ähnlichkeit mit seiner Mutter als mit dem Letzten der Godwinsons hatte, dessen Namen er trug. Der ungestüme, lebhafte Ælfric fand in seinem Onkel Alfred und seinem Großonkel Athelstan dicke Freunde. So blieb Cædmon genügend Zeit, sich den vernachlässigten Geschäften seiner inzwischen so komplizierten Gutsverwaltung und dem Bau seiner Kirche zu widmen,

Weitere Kostenlose Bücher