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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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obwohl er sich bemühte, jede Mußestunde mit seinen Söhnen zu verbringen. Bald hatte sein Tagesablauf sich eingespielt. Zum erstenmal seit vielen Jahren genoß er es, in Helmsby zu sein. Er war seltsam unbeschwert. Mit der beiläufigen Leichtigkeit eines Jongleurs teilte er seine Tage zwischen seinen vielen Aufgaben und seinen Söhnen auf. Und die Nächte gehörten Aliesa.
    Eine bislang ungekannte Vertrautheit hatte sich zwischen ihnen entwickelt. Ihre vertrackte Situation quälte sie, es war eine allabendliche, beinah rituelle Prüfung, das Bett zu teilen ohne den eigentlichen Akt zu vollziehen. Doch die Dinge, die sie statt dessen taten, waren auf eigentümliche Weise persönlicher. Und sie redeten viel. Mehr als jezuvor. Sie saßen im Bett, mit angezogenen Knien und ans Kopfteil gelehnt, teilten einen Becher Wein oder Bier und redeten bis kurz vor Sonnenaufgang.
    »Cædmon?«
    »Hm?«
    »Was hast du für Pläne mit deinen Söhnen?«
    »Oh, ich weiß noch nicht. Ich hoffe, daß sie eines Tages als Knappen an den Hof kommen, wenn Richard König wird. Ich meine, sie mögen nur Bastarde sein, aber vermutlich die einzigen Söhne, die ich je haben werde. Wenn es nach mir geht, soll Ælfric als mein Erbe Thane of Helmsby werden. Und Wulfnoth?« Er hob langsam die Schultern. »Er ist so ernst und still. Wie Guthric früher. Vielleicht stellt er eines Tages fest, daß er berufen ist.«
    Aliesa nickte versonnen »Was auch immer du vorhast … Ich hoffe, du bist nicht ärgerlich, wenn ich dir einen Rat gebe?«
    Er schüttelte den Kopf. »Wenn es ein guter Rat ist, nein.«
    Sie lächelte schwach. »Es ist mir ernst, Cædmon.«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Schick sie nicht zurück nach Metcombe. Wenn du wünschst, daß eines Tages Ritter aus ihnen werden, sollten sie nicht unter Bauern leben.« »Nun, noch sind sie sehr klein. Und sie brauchen ihre Mutter.«
    »Aber der Müller behandelt sie nicht gut.«
    Er hob den Kopf. »Was heißt das?«
    Sie zuckte ungeduldig mit den Schultern. »Was glaubst du wohl? Er prügelt sie. Vor allem Wulfnoth.«
    Cædmon winkte ab. »Darüber mach dir keine Sorgen. Jungen geraten außer Rand und Band, wenn man es nicht tut, glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Mein Vater hat damit auch nie gegeizt, und es hat keinem von uns geschadet.«
    »Nein«, stimmte sie sarkastisch zu. »Es hat nur einen gefühllosen Klotz aus dir gemacht.«
    »Aliesa …«
    Sie hob gebieterisch die Hand. »Sieh ihn dir an. Sieh ihn dir einmal genau an, und dann urteile selbst.«
    »Herrgott noch mal …« Ein Klopfen ließ ihn jäh verstummen.
    Sie wechselten einen entsetzten Blick. Es klopfte noch einmal.
    Aliesa sah hilflos zu Cædmon, räusperte sich und fragte mit vorgeblich schlaftrunkener Stimme: »Was gibt es denn?«
    »Cædmon, ich weiß, daß du da drin bist«, rief Alfred gedämpft. »Es tut mir leid, daß ich mich nicht länger blind und taub stellen kann, aber Waltheof of Huntingdon ist unten in deiner Halle und besteht darauf, dich sofort zu sprechen.«
    Cædmon machte eine beruhigende Geste und flüsterte: »Sei unbesorgt. Auf Alfred ist Verlaß.« Dann rief er: »Ich komme sofort.«
    Er schwang die Beine aus dem Bett und griff nach seinen Hosen.
    Aliesa umfaßte seinen Arm. »Was immer Waltheof of Huntingdon von dir will, sei vorsichtig.«
    Er streifte die Hosen über und stand auf. »Wieso?«
    Sie lehnte sich in die Kissen zurück. »Tu einfach, was ich sage.«
    »Tue ich das nicht immer?«
     
    Waltheof of Huntingdon war der letzte der großen angelsächsischen Earls, der noch in Amt und Würden war, obwohl oder vielleicht auch gerade weil er nie eine so herausragende Rolle wie das Haus von Mercia oder das Haus Godwinson gespielt hatte. Der König schätzte ihn sehr. Waltheof hatte gute Verbindungen nach Northumbria – sein dänischer Vater Siward war dort einst Earl gewesen –, und obwohl er vor sechs Jahren den Aufstand im Norden unterstützt hatte, hatte William ihm nicht nur verziehen, sondern ihn kürzlich gar zum Earl of Northumbria ernannt, in der Hoffnung, daß Siwards Sohn vielleicht gelingen könnte, was keiner vor ihm bewerkstelligt hatte, nämlich die Unruheprovinz mit dem normannischen Regime auszusöhnen. Waltheof hielt sich jedoch weitaus lieber auf seinen Gütern in Huntingdon und Northamptonshire auf als im rauhen Norden und war somit Cædmons Nachbar.
    Cædmon eilte mit einem Öllicht in der Hand die Treppe hinunter und fragte sich beunruhigt, was dieser ungewöhnliche Besuch zu dieser

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