Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
einem normannischen Baumeister.«
    »Wer ist er?«
    »Turold von Canterbury. Lanfranc hat ihn mir geliehen. Obwohl seine neue Kathedrale noch längst nicht fertig ist, aber er sagte, er habe Baumeister im Überfluß.«
    »Vermutlich hat dein Bruder ein gutes Wort für dich eingelegt.«
    »Wahrscheinlich.« Er reichte ihr seinen Arm. »Komm, laß uns gehen. Sieh dich vor, der Boden liegt voll zerbrochener Mauersteine.«
    Vor der Kirche trafen sie Vater Cuthbert und Offa, den Schmied. Cædmon stellte Aliesa vor und redete ein paar Sätze mit den beiden Männern. Aliesa staunte über den ungezwungenen Umgangston zwischen dem Thane und den einfachen Leuten von Helmsby. Sie begegneten ihm mit Respekt, aber ohne alle Scheu, und es war unschwer zu erkennen, daß sie sich freuten, ihn zu sehen. Wie anders ist es mit Etiennes Bauern in Cheshire oder Herefordshire, fuhr es ihr durch den Kopf. Obwohl er ein so nachsichtiger Dienstherr war und nicht duldete, daß auf seinen Gütern irgendwer schlecht behandelt wurde, ganz gleich ob Pächter oder Sklave, zitterten sie doch alle vor ihm wie die Hühner vor dem Fuchs. Und das würde niemals besser werden, solange er ihre Sprache nicht beherrschte. Aber er lehnte es ab, darüber zu debattieren. »Dafür habe ich meine Stewards«, wandte er jedesmal ein …
    »Aliesa, träumst du?«
    »Entschuldige. Was sagtest du?«
    »Ich bringe dich zur Burg zurück und reite dann weiter nach Metcombe«, wiederholte Cædmon geduldig.
    »Zu ihr«, fügte sie hinzu. Weder ihre Stimme noch ihr Blick verrieten ihre Eifersucht. Sie hatte es verstanden, sie zu verbergen, seit Cædmon ihr zum erstenmal von Gytha erzählt hatte. Denn er hatte noch niemals das geringste Anzeichen von Eifersucht auf ihren Mann erkennen lassen. Und was er konnte, konnte sie schon lange.
    »Zu meinen Söhnen«, korrigierte er ohne besonderen Nachdruck.
    »Nimm mich mit«, bat sie impulsiv. »Ich würde die beiden so gerne kennenlernen.«
    »Das wirst du. Ich bringe sie für ein paar Tage mit nach Helmsby. Aber es ist besser, du läßt mich alleine reiten. Es wäre nicht schicklich, wenn du und ich für Stunden zusammen im Wald verschwinden.«
     
    In der Mühle herrschte Hochbetrieb. Das ganze Gebäude war von einem dichten Nebel aus Mehlstaub erfüllt, der durch die Ritzen in der Holzdecke aus dem Obergeschoß rieselte, wo der Mühlstein sich drehte, und aus den Säcken unter dem Trichter im Erdgeschoß aufwirbelte. Das eigentliche Mahlgeräusch wurde übertönt vom unablässigen Quietschen des Mühlrades und dem zischenden Tosen und Schäumen des Ouse, der es antrieb.
    Cædmon blieb an der Tür stehen. Er hatte kein gesteigertes Interesse daran, von Kopf bis Fuß eingestäubt zu werden. »Hallo? Hengest! Gytha!«
    Er hörte rennende Schritte in seinem Rücken und wandte sich um. »Vater! Vater!«
    Der sechsjährige Ælfric lief über die Dorfwiese auf ihn zu, sein zwei Jahre jüngerer Bruder folgte ihm, so gut er konnte.
    Ælfric sprang ungestüm, und Cædmon fing ihn lachend auf. »Ælfric! Wie geht es dir, mein Sohn?«
    »Warst du im Krieg, Vater? Wie lange kannst du bleiben?«
    Cædmon stellte seinen quirligen Ältesten auf die Füße und fuhr ihm über die samtweichen, blonden Kinderlocken. Ælfric erinnerte ihn immer an Eadwig in diesem Alter. Cædmon war sich nicht bewußt, wie sehr der Junge ihm selbst glich. »Nein, in England ist derzeit kein Krieg, Gott sei Dank. Aber es kann nicht lange dauern, bis der nächste Unruheherd uns alle wieder aufschreckt.«
    Er stützte die Hände auf die Oberschenkel und beugte sich zu seinem jüngeren Sohn herab. »Nun, Wulfnoth?«
    Der kleine, elfenhaft schmale Junge krallte die Hand um den Mantelsaum seines Vaters, sah ernst zu ihm auf und sagte kein Wort.
    Cædmon legte ihm leicht die Hände auf die Schultern und küßte ihn auf die Stirn. »Weißt du, wer ich bin?«
    Wulfnoth nickte. »Vater.«
    »Und trotzdem hast du Angst vor mir?«
    Der Junge schüttelte den Kopf so nachdrücklich, daß die dunkelblonden Haare flogen.
    Cædmon mußte lächeln. »Gut. Ich hatte gedacht, ich nehme euch für ein paar Tage mit nach Helmsby. Aber wenn dir das nicht geheuer ist und du lieber bei deiner Mutter bleibst, sag es ruhig.«
    Wulfnoth äußerte sich nicht, sah nur unverwandt zu ihm auf. Cædmon konnte den Blick nicht deuten. Er kannte seine Söhne nur so flüchtig. Hengest trat aus der Mühle, kam lächelnd auf sie zu und wischte sich die Hand an der Kleidung ab, ehe er sie Cædmon

Weitere Kostenlose Bücher