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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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König ignorierte Eadwigs ungehörige Unterbrechung und sagte: »Sprich, Rufus. Ich werde dir zuhören, du hast mein Wort.«
    Rufus befeuchtete die Lippen. »Vor ein paar Jahren habe ich eine Entdeckung gemacht, die mich sehr … bestürzt hat. Es betraf eine Sache, die ich Euch eigentlich gleich hätte zur Kenntnis bringen müssen, doch es waren Menschen davon betroffen, die mir nahestehen, und ich wußte nicht, was ich tun sollte. Also wandte ich mich an meinen Bruder Richard, vertraute mich ihm an und bat ihn um Rat. Und Richard nahm mir das Versprechen ab, das Geheimnis zu bewahren. Ich war erleichtert, weil es Euch und allen anderen Kummer ersparte. Aber dann fing dieses Geheimnis an, mich zu quälen, denn es machte mich zum Mitwisser, zum Komplizen eines schweren Verbrechens.« Er brach ab, als habe ihn plötzlich der Mut verlassen.
    Der König sah seinen Sohn unverwandt an, den Kopf leicht gesenkt, die Rechte lose um seinen unberührten Becher gelegt. »Nur weiter. Ich glaube, du hattest selten ein aufmerksameres Publikum.«
    Rufus legte nervös die Hände zusammen und senkte kurz den Blick. »Es … es tut mir leid, daß ich Euren Kummer mehre, Sire, statt Euch Trost zu bieten. Aber Richard ist tot und begraben, und mein Versprechen bindet mich nicht mehr. Und die Umstände zwingen mich, heutezu sprechen und nicht länger zu warten. Ihr habt … kürzlich gesagt, vom Ehebruch zum Hochverrat sei nur ein winziger Schritt, nicht wahr? Denn wer die Ehe breche, verstoße gegen die weltliche Ordnung ebenso wie gegen das göttliche Gebot, richtig?«
    William hatte den Kopf noch ein wenig tiefer gesenkt. »Wer?« fragte er leise.
    Rufus sah ihm in die Augen, wie das Kaninchen den Blick der Schlange erwidert, starr, völlig gebannt. »Cædmon of Helmsby und Etienne fitz Osberns Frau, Sire.«
    Jedes Augenpaar in der Halle hing an seinen Lippen. Nur Cædmon starrte auf einen Fleck in der Tischdecke vor sich, seit er erkannt hatte, was Rufus seinem Vater zu sagen versuchte, und er rang verbissen um die Kontrolle sowohl über seine Blase als auch seinen leeren Magen. Aus dem Augenwinkel sah er Etienne an seiner Seite zusammenzucken, als die beiden Namen fielen.
    Es war totenstill in der Halle.
    »Das ist nicht wahr«, murmelte Etienne, stand langsam auf und wiederholte mit mehr Entschlossenheit: »Das ist nicht wahr. Cædmon?« Cædmon riß sich vom Anblick des Soßenflecks los und erhob sich ebenfalls.
    »Es ist wahr«, widersprach Rufus in Etiennes Rücken. »Es tut mir leid. Aber was ich gesehen habe, war unmißverständlich.«
    Etienne sah seinen besten Freund unverwandt an, und als er das Eingeständnis in Cædmons Blick las, weiteten sich seine Augen voller Entsetzen. Er wich zurück, stolperte beinah, als er über die Bank hinwegstieg, und sah kopfschüttelnd von Cædmon zu seiner Frau, die hoch aufgerichtet und mit vollkommen ausdrucksloser Miene auf ihrem Platz zu seiner Rechten saß. Auch vor ihrem Anblick schien er zurückzuzucken. Dann wurde ihm anscheinend bewußt, daß der versammelte Hof ihn anstarrte. Einen Moment stand er mit kraftlos herabbaumelnden Armen da, so als wisse er einfach nicht, was er tun sollte. Schließlich räusperte er sich und sah den König an, der wortlos nickte. Etienne nahm den Arm seiner Frau. Die Geste wirkte zaghaft und behutsam, aber sein Griff war so fest, daß die Knöchel seiner großen Hand weiß hervortraten.
    »Madame …«
    Sie stand sofort auf, und als sie sich zum Ausgang wandten, trafen sich Cædmons und Aliesas Blicke für einen Moment. Furcht und Schmerzverdunkelten ihre graugrünen Augen, sie schienen ein Spiegel seiner eigenen Empfindungen. Dann war sie fort. Ein paar Atemzüge lang hörte er noch die eiligen, langsam verklingenden Schritte. Als sie verhallt waren, drehte Cædmon sich zur hohen Tafel um. Rufus hatte den Kopf gesenkt und stand mit hängenden Schultern da wie ein gescholtener Bengel. Lanfranc und die Königin betrachteten Cædmon mit unverhohlener Verachtung, der kleine Henry angstvoll und verständnislos, Odo und der König mit unverkennbarem Zorn.
    Dann nickte der König den Wachen zu und ruckte sein Kinn in Cædmons Richtung. Während sie hinzutraten, sagte er leise: »Sperrt ihn ein und legt ihn in Ketten, damit er mir nicht wieder davonläuft. Ich muß darüber nachdenken, was mit ihm geschehen soll.« Er wandte den Kopf zu einer dunkel gekleideten Gestalt, die, von allen anderen unbemerkt, im Schatten der Säulen gestanden hatte. »Erst einmal

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