Das zweite Königreich
kaufen oder ähnliches.«
»Cædmon, wie kannst du denken, ich würde glauben …«
Cædmon winkte ab. »Nun, es wirkt schließlich verdächtig genug. In einem Punkt hatte der Bote recht, ich weiß, wozu dieses Geld bestimmt ist.« Er berichtete seinem Vetter von dem Handel, zu dem der König ihn und die anderen auf so schamlose Weise gezwungen hatte. »Aber ich will verdammt sein, wenn ich weiß, von wem es sein könnte.«
»Vom Earl of Kent vielleicht?«
»Bischof Odo? Wie kommst du darauf?«
»Er ist dein Freund. Und er ist reich.«
»Aber seiner Ansicht nach nicht reich genug. Nein, er hält sein Geld zusammen, denn er braucht alles, was er hat, für seinen kostspieligen Lebenswandel.«
»Dann einer der Prinzen.«
Cædmon nickte versonnen. Er tippte auf Henry. Hätte Rufus ihm die Hälfte der geschuldeten Summe geben wollen, hätte er es in Winchester und in aller Offenheit getan, ohne daran zu denken, wie unangenehm die Situation für Cædmon gewesen wäre. Rufus war impulsiv und nicht besonders einfühlsam. Henry hingegen war besonnen, und obwohl er noch nicht einmal dreizehn war, tat er selten etwas, ohne die Konsequenzen für sich und andere abzuwägen. Kurz, Henry war wie sein toter Bruder Richard. Und genau wie er neigte Henry zu komplizierten Gedanken und Plänen. Diese geheimnisvollen, namen- und wappenlosen Boten sahen ihm ähnlich.
»Ja, vermutlich hast du recht, Alfred. Bestimmt war es einer der Prinzen.«
»Und wirst du’s annehmen?«
»O ja. Erstens, weil ich es brauche, und zweitens, weil ich nicht wüßte, an wen ich es zurückschicken sollte.«
Alfred räumte das Geld wieder in die Truhe und gab Cædmon den Schlüssel. »Hier. Solange du zu Hause bist, solltest du ihn verwahren.« »Danke.«
Plötzlich grinste Alfred breit. »Junge, ich bin erleichtert. Seit Wochen hab ich mich um den Schlaf gebracht, weil ich dachte, irgendein Normanne wolle dir was am Zeug flicken. Ich muß gestehen, ich hatte deinen Schwager, den Sheriff, in Verdacht.«
Cædmon stand auf und klopfte seinem Vetter die Schulter. »Nein, diesmal nicht. Lucien würde nie etwas tun, das seiner Schwester Kummer bereiten könnte, weißt du. Darum sind wir vor ihm sicher, denke ich.«
»Aber nur so lange, bis er eine Teufelei ausgeheckt hat, die dir das Kreuz bricht, ohne den Verdacht auf ihn zu lenken.«
Cædmon dachte darüber nach. »Ja, vielleicht. Aber ich sehe nicht, wie er das mit dieser geheimnisvollen Spende anstellen will. Nein, ich bin sicher, das hier ist die Gabe eines Freundes.«
Gloucester, Januar 1081
»Da kehrt er heim, der strahlende Sieger«, murmelte Rufus. »Ich wünschte, die verfluchten Schotten hätten ihm den Schädel gespalten.«
»Rufus«, mahnte Cædmon leise. »Wie alt mußt du werden, um zu lernen, daß man manche Dinge besser nicht ausspricht, wenn es schon sein muß, daß man sie denkt?«
Rufus brummte übellaunig und sah weiterhin starr aus dem Fenster in den verschneiten Hof hinunter, wohin der König und fast alle Angehörigen des Hofes sich begeben hatten, um Prinz Robert willkommen zu heißen.
Rufus war zutiefst erbittert gewesen, als sein Vater im vergangenen Herbst Robert allein als Heerführer auf den Schottlandfeldzug geschickt hatte. Sein einziger Trost war, daß Robert aller Wahrscheinlichkeit nach kläglich versagen würde, denn sein strategisches und taktisches Geschick wurden allgemein in Zweifel gezogen. Doch Robert hatte sie alle überrascht, hatte Lothian auf einen Streich überrannt und verwüstet und stand in Falkirk, ehe König Malcolm wußte, was über ihn gekommen war. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als das Abkommen zu unterzeichnen, das Robert ihm diktierte, und damit die Schotten nicht vergaßen, wer fortan im Norden die Vorherrschaft hatte, ließ Robert auf seinem Rückweg in Grenznähe eine gewaltige Burg errichten, so daß die Grenze bewacht und gesichert war.
So war es nicht verwunderlich, daß er im Triumph in Gloucester einzog, und noch während Cædmon, Eadwig, Rufus und Henry aus dem Fenster schauten, trat der König zu seinem Ältesten, der vor ihm im Schnee kniete, hob ihn auf und schloß ihn in die Arme. Der Hof jubelte.
Rufus wandte sich angewidert ab. »Ælfric, bring mir was zu trinken.« »Ja, mein Prinz.« Der Junge eilte zu einem der Tische an der Längsseite, füllte einen versilberten Pokal und brachte ihn dem Prinzen. Rufus riß ihm den Becher unsanft aus der Hand und scheuchte den Jungen mit einem schroffen Wink fort. Ælfric trat
Weitere Kostenlose Bücher