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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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und erbat seine sofortige Rückkehr.
    Williams Leichnam wurde derweil nach Caen gebracht, wo er seinem letzten Wunsch gemäß in der Abtei St. Etienne beigesetzt wurde, die er gestiftet hatte.
    Am Tag nach der Beerdigung kehrten Cædmon und Henry nach Rouen zurück.
    »Aber wir sind nur auf der Durchreise«, erklärte der Prinz dem Kastellan. »Wir wollen so bald wie möglich nach England zurückkehren.« Und nicht mehr hier sein, wenn Robert, der neue Herzog der Normandie, auf seiner Burg Einzug hält, fügte Cædmon in Gedanken hinzu und fragte: »Ist Morcar of Mercia inzwischen hergebracht worden?«
    »Er ist bei Wulfnoth Godwinson, Thane«, antwortete der Kastellan. Cædmon nickte. »Kommst du mit, Henry?«
    Der Prinz schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich denke, das macht ihr Angelsachsen lieber unter euch aus. Ich gehe derweil und suche Wulfnoth … ähm, ich meine, deinen Sohn, und lasse alles für unsere Abreise vorbereiten. Wir müssen uns beeilen, wenn wir zu Rufus’ Krönung zu Hause sein wollen.«
    Cædmon klopfte ihm kurz die Schulter, verließ die Halle und eilte die Treppen hinauf.
    Wulfnoth Godwinson hockte wie eh und je auf dem Schemel unter dem Fenster und spielte die Laute. Neben ihm saß ein gebeugter, weißhaariger Mann. Hätte Cædmon nicht gewußt, daß es Earl Morcar war, hätte er ihn niemals wiedererkannt.
    Als Wulfnoth die Tür hörte, brachte er die Saiten mit der flachen Hand zum Schweigen und sah auf. »Cædmon!«
    Auch Morcar hob den Kopf, aber seine milchigen Augen starrten ins Leere. Er war blind. Fünfzehn Jahre , dachte Cædmon und schauderte. Fünfzehn Jahre hatte der einstige Earl of Northumbria in irgendeinem finsteren Loch in Beaumont verbracht. Kein Wunder, daß seine Augen irgendwann den Dienst eingestellt hatten, es gab ja doch nie etwas zu sehen.
    Cædmon wechselte einen bekümmerten Blick mit Wulfnoth, der warnend den Kopf schüttelte, und schloß die Tür.
    »Alles ist erledigt«, verkündete er. »Und morgen fahren wir nach Hause.« Er trat einen Schritt näher auf Morcar zu. »Ich danke Gott, daß Eure lange Gefangenschaft endlich vorüber ist, Mylord, und es ist mir eine Ehre, Euch nach England zu begleiten.«
    Morcar nickte ernst. »Danke, Thane.«
    Wulfnoth erhob sich rastlos, ging zum Tisch und hüllte seine Laute liebevoll in ihren fadenscheinigen Beutel. »Mir gefriert das Blut, wenn ich nur daran denke, nach Hause zu kommen«, gestand er leise. »Wie es wohl sein wird? Was ich wohl vorfinde? Niemand ist übrig von meiner Familie, nur der eine oder andere von Harolds Bastarden, und keinen von ihnen habe ich je im Leben gesehen. Ich weiß nicht einmal, wo sie sind. Ich glaube, das letzte Mal habe ich mich so erbärmlich gefürchtet, als mein Vater mich als Geisel hierherschickte. Vor fünfunddreißig Jahren.«
    Ja, dachte Cædmon beklommen, deine Gefangenschaft war die längste von allen. »Du hast keinen Grund, dich zu fürchten«, entgegnete er. »England hat sich nicht so sehr verändert, wie du vielleicht annimmst. Und viele halten den Namen Godwinson in Ehren und werden dich willkommen heißen.«
    Wulfnoth nickte, auch wenn er wenig beruhigt schien, wandte sich ab und schenkte aus einem Krug auf dem Tisch drei Becher voll.
    Cædmon nahm ihm den Krug aus der Hand. »Herrgott, laß mich das doch machen. Es wird höchste Zeit, daß du dich darauf besinnst, wer du bist.«
    Wulfnoth lachte leise. »Besser nicht. Dem jungen Rufus kann so schon nicht wohl sein bei dem Gedanken, daß ich heimkehre. Und? Erzähl schon, Cædmon. Wie war die Beerdigung? Feierlich und würdevoll, will ich hoffen?«
    Cædmon verteilte die Becher, und nachdem sie getrunken hatten, antwortete er. »Nein. Wirklich nicht. Es war … einfach grauenhaft, Wulfnoth.« Er seufzte tief und schüttelte den Kopf. »Williams Vertraute und Weggefährten geleiteten den Leichnam in feierlicher Prozession durch die Straßen von Caen zum Kloster, als plötzlich in einem der Häuser ein Feuer ausbrach.«
    Morcar hob den Kopf. »Wie bei der Krönung in Westminster«, bemerkte er. Er war schließlich dabeigewesen an jenem denkwürdigen Weihnachtstag vor einundzwanzig Jahren. »Wo William auch hinkommt, bringt er Feuer und Verderben, selbst über den Tod hinaus.«
    Cædmon nickte. »Viele dachten genau das gleiche, Mylord. Ich auch. Jedenfalls breitete das Feuer sich so schnell aus, daß es das ganze Viertel zu vernichten drohte, also verließen wir alle unsere Plätze und halfen beim Löschen, so daß nur die

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