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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Mönche und Bischöfe die Prozession nach St. Etienne beendeten.
    Schließlich standen wir dann endlich alle in der kleinen Klosterkirche zusammengedrängt, und der Bischof von Évreux hatte gerade das Requiem begonnen, als irgendein kleiner normannischer Landedelmann hereinstürmte und sagte, die Zeremonie könne nicht stattfinden, das Land, auf dem die Kirche stehe, habe William ihm mit unlauteren Mitteln abgenommen, und er verlange auf der Stelle eine Entschädigung. Ihr kennt die Normannen, also könnt ihr euch vorstellen, wie grenzenlos peinlich die Szene allen war. Robert, des Königs Bruder, zahlte den ungehobelten Störenfried kurzerhand aus und schickte ihn seiner Wege. Aber das war noch nicht alles.«
    Er unterbrach sich kurz. Wulfnoth und Morcar glaubten, er wolle sie vor dem Höhepunkt seines Berichtes ein wenig auf die Folter spannen, wie jeder gute Geschichtenerzähler es tat, aber tatsächlich überkamen Grauen und Ekel Cædmon bei der Erinnerung so übermächtig, daß er einen Moment um Fassung ringen mußte, ehe er fortfahren konnte. »Ich … weiß nicht, wie es passieren konnte, daß der steinerne Sarkophag zu klein war. Jeder wußte schließlich, daß der König an die sechs Fuß groß ist. Jedenfalls war der Sarg zu kurz. Die sechs Diener, die seinen Leichnam hineinzubetten versuchten, merkten, daß er nicht paßte,und beschlossen kurzerhand, den König … nun ja, zusammenzufalten. Dabei platzte sein Leib auf, und der grauenvollste Gestank, den ich in meinem Leben je gerochen habe, breitete sich in der Kirche aus. Ich sage euch, ich habe noch nie so viele Bischöfe und Äbte mit grünen Gesichtern gesehen. Viele flüchteten ins Freie, und Gilbert von Évreux beendete die Zeremonie, so schnell er nur konnte. Es war … fürchterlich. Henry war weiß Gott nicht der einzige, der über dieses unwürdige Ende geweint hat. Ich …« Er atmete tief durch und rieb sich das Kinn an der Schulter. »Vermutlich könnt ihr das nicht verstehen, gerade euch hat William so großes Unrecht angetan, und ich weiß, daß er ein Ungeheuer war, aber glaubt mir, das hat er nicht verdient. Das verdient niemand. Würde ist das einzige, was man einem Toten noch nehmen kann. Und gerade seine Würde war ihm so kostbar. Du weißt doch, wie es war, Wulfnoth, wie er aufgewachsen ist, wie seine Feinde ihn verhöhnt haben wegen seiner Geburt.«
    Wulfnoth nickte langsam. »Ja. Und du hast recht. William hat Gott so unermüdlich gedient, daß Gott sich diesen häßlichen kleinen Scherz wahrhaftig hätte sparen können. Und was war mit Odo?«
    »Tja.« Cædmon leerte seinen Becher in einem gewaltigen Zug und stellte ihn auf dem Tisch ab. »Odo hat das ganze Schauspiel mit unbewegter Miene verfolgt und mit niemandem außer seinem Bruder Robert ein Wort gesprochen. Nach der Beerdigung machte er sich umgehend auf den Weg nach Bayeux. Es gehört ihm ja noch, genau wie seine Besitztümer in England, William hat ihn nie enteignet. Aber er ist zutiefst verbittert. Ich fürchte, William könnte recht haben, Odo wird uns allen noch Ärger machen. Ich hoffe nur, er läßt die Finger von Rufus, denn der Prinz … ich meine, der König ist leicht zu beeinflussen.«
    Wulfnoth hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt und betrachtete ihn neugierig. »Was denkst du, Cædmon? Was kommt auf England zu? Was für ein König wird Rufus sein?«
    Cædmon dachte einen Moment nach. »Ich bin nicht sicher. Rufus ist ein Mann mit ausgeprägten Schwächen und ausgeprägten Stärken. Ich glaube immer noch, Richard wäre der Bessere für die Aufgabe gewesen, aber Richard ist tot, Gott hat Rufus gewählt.«
    »Er ist ein Normanne«, warf Morcar abschätzig ein. »Was für ein König soll er England schon sein?«
    »Er hat beinah sein ganzes Leben in England verbracht«, widersprach Wulfnoth. »So betrachtet ist er eher Engländer.«
    Cædmon schüttelte lächelnd den Kopf. »Rufus ist einer von diesem seltsamen neuen Volk, das ihr noch nicht kennt: Er ist Anglo-Normanne.«
Winchester, Oktober 1087
    Ælfric kam die Treppe hinunter, ließ den Blick über die vielen Menschen in der Halle schweifen, entdeckte seinen Vater und trat eilig zu ihm.
    Cædmon stand mit verschränkten Armen reglos an eine der Säulen gelehnt und rang um Geduld. Als er seinen Sohn auf sich zukommen sah, richtete er sich auf.
    »Und?«
    »Der König bittet dich jetzt zu sich, Vater.«
    »Das wurde auch Zeit«, grollte Cædmon. »Seit heute früh warte ich hier. Rufus ist und bleibt ein

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