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Das zweite Leben

Das zweite Leben

Titel: Das zweite Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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Mr. Dodds habe ich noch über die sinkenden Verkaufsziffern der letzten Monate zu reden.«
    Tully schloß leise die Tür hinter sich und versuchte, sich einen Reim auf das Gehörte zu machen – ohne Erfolg. Er ging schweigend durch die Elektroabteilung. Nur wenige Kunden waren noch im Haus. In einer knappen Stunde würde es schließen. Als Tully Carswell, Tysons Stellvertreter sah, sprach er ihn an und fragte nach den verschwundenen Geräten. Zwar hatten diese nichts mit seinem Problem, den Puppen, zu tun, doch Tully war neugierig.
    »Entweder waren die Packer unserer Lieferfirma betrunken«, brummte Carswell, »oder unsere Lieferanten selbst versuchten irgendwelche Tricks mit uns. Wir reklamierten zum Beispiel drei fehlende Drillbohrer. Die Kiste enthielt gemäß Lieferschein zwanzig Stück, und es hätte sich ja um einen simplen Irrtum handeln können, eine Unachtsamkeit bei der Verpackung. Aber nein – die Firma behauptete steif und fest, daß zwanzig Geräte abgeliefert wurden. Hätten wir sie gleich nach Erhalt ausgepackt, hätten wir sofort reklamieren können. Dummerweise ließen wir sie einige Wochen lang versiegelt stehen, und nun sind wir die Dummen.«
    Carswell zeigte Tully einige noch verschlossene Kisten. Die Metallbänder waren aus einem Stück. Dann führte er ihn zu den geöffneten, die weniger Geräte als sonst enthalten hatten. Tully griff in die Holzwolle, die die Geräte gegen Beschädigungen bei Stürzen schützen sollte, und wühlte darin herum, ohne eigentlich zu wissen, weshalb. Dann führte er eine Handvoll an die Nase und roch daran. Täuschte er sich, oder roch sie leicht nach Pfefferminz?
    Tully verließ die Elektroabteilung und ließ sich vom Aufzug hinunter zur Spielwarenabteilung tragen, wo er dem Personal einige Fragen stellen wollte, solange Dodds in Steeles Büro war. Die Mädchen würden sicher unbefangen sprechen, wenn ihr Chef nicht hinter ihnen stand und sie zusammenstauchte. Doch als er den Lift verließ, kam ihm eine andere Idee.
    Wie jedes größere Warenhaus, besaß auch dieses einen Sanitätsraum. Tully räusperte sich, als er eintrat. Die Schwester sah auf.
    »Mr. Tully! Ein seltener Besuch. Fehlt Ihnen etwas?«
    »Nun … nicht direkt.« Er erzählte von seinem Problem, von Steeles Anweisung und der Unruhe, die sich unter dem Personal breit machte, und zuckte schließlich unbeholfen die Schultern. »Ich weiß, daß Sie in bestimmten Fällen an Ihre Schweigepflicht gebunden sind, Schwester. Aber ich habe mich gefragt, ob nicht möglicherweise …«
    »Ob jemand zu mir gekommen ist, der nicht ganz richtig im Kopf zu sein scheint?« Die Schwester setzte eine ernste Miene auf. »Wenn es so wäre, hinge es von den Umständen ab, ob ich seinen Namen preisgeben dürfte. Aber falls jemand Anzeichen für eine krankhafte Veranlagung oder einen psychischen Defekt, wie Sie und Mr. Steele ihn vermuten, zeigen würde, würde ich nicht zögern, ihn unverzüglich zu einem Arzt zu schicken und für arbeitsunfähig zu erklären. Ich ließe ihn nicht frei hier herumlaufen. Beantwortet das Ihre Frage?«
    »Ich glaube schon«, sagte Tully. »Besten Dank.«
    Doch die Möglichkeit, daß ein von Rassenhaß besessener Psychopath im Warenhaus sein Unwesen trieb, war nicht ganz ausgeräumt. Die Auskunft der Schwester besagte nur, daß er sich nicht bei ihr gemeldet hatte. Tully mußte auf der Treppe zum Kellergeschoß einer Schar schnatternder junger Frauen ausweichen, den Verkäuferinnen, deren Dienst beendet war. Von ihnen würde er heute nichts mehr erfahren können. Nur Miß Barr, Dodds’ Vertreterin, hielt sich noch in der Spielwarenabteilung auf und machte sich zum Nachhausegehen fertig. Doch auch sie konnte Tully nichts Neues berichten, außer, daß manchmal das rechte, manchmal das linke Auge ausgestochen war. Ebenso verhielt es sich mit dem abgerissenen Bein. Es schien dem Unbekannten nur darauf anzukommen, daß ein Auge und ein Bein fehlten – egal welches. Tully half Miß Barr in den Mantel und wünschte ihr eine gute Nacht.
    Als er allein war, verschloß und verriegelte er die Ausgänge. Dann traf er die Vorbereitungen für seinen Patrouillengang. Seinen Augen entging nichts. Die Lippen waren zusammengepreßt, und Tully atmete in kurzen Zügen durch die Nase. Das war reine Routine. Jeder fremde Geruch konnte ein Alarmsignal sein. Die größte Gefahr für das Warenhaus ging nicht von Einbrechern aus – ein perfektes Sicherheitssystem und Polizeistreifen auf der Straße machten es

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