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Das zweite Leben

Das zweite Leben

Titel: Das zweite Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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Etwas hinabzusehen, das einmal Naleen gewesen war. Mit zusammengepreßten Lippen und Tränen in den Augen kniete er daneben nieder und verfluchte diese furchtbare Sonne.
    Er kniete immer noch, als Jennings mit zwei Kallekianern kam, um ihn zurückzuholen. Die Planetarier trugen ebenfalls Hitzeschutzanzüge, nachdem die Standardisierung ihr Grel- System neutralisiert hatte. Sie versuchten Rolston zu trösten, indem sie immer wieder erklärten, was Naleen für sie bedeutete, daß schon ihre Eltern hohes Ansehen genossen und viele Sommer überlebt hatten.
    Eine Stunde, nachdem sie in die Kuppel zurückgekehrt waren, verkündete ein Sprecher der Kallekianer, daß niemand von ihnen nach dem, was mit Naleen geschehen war, Kallek vor Ende des Sommers verlassen würde.
     
    All das war nun zwanzig Monate her. Rolston nahm den Blick von dem leuchtendweißen Felsen auf der Kuppe des Hügels und machte sich auf den Rückweg. Seine Qualen waren im Lauf der Zeit nur noch größer geworden, und die Selbstvorwürfe fraßen ihn fast auf. Die Planetarier machten ihm keine Vorwürfe. Sie hatten Mitleid mit ihm und hielten sich zurück. Selbst Dr. Munsen verschonte ihn, obwohl das Warten für ihn und Jennings zur Tortur geworden war. Der Psychologe bot Rolston seine Hilfe an. Er hatte Drogen und Methoden, um ihm jede Erinnerung an Naleen zu nehmen. Rolston lehnte ab und ging statt dessen jeden Tag zum Hügel. Der Sommer ging zu Ende, und der Herbst auf Kallek kündigte sich durch sintflutartige Regenfälle in der Nacht an. Jeden Morgen war die Kuppel von undurchdringlichem Wasserdampf eingehüllt. Nur allmählich kühlte sich die Luft ab, und der Regen füllte die Täler mit unzähligen Seen und Tümpeln. Die kahlen Felsen wurden von einer Humusschicht überzogen, und die Samenballone, die während des Sommers in den kühleren oberen Atmosphäreschichten geschwebt hatten, kehrten zurück. Sie senkten sich auf die frische Erde nieder. Der Kreislauf des Lebens begann von neuem.
    Rolston tauschte den Schutzanzug gegen kurze Hosen und einen leichten Umhang aus. Die Hügelkuppe war bald von Pflanzen überzogen. Überall blühte das neue Leben auf. Auch auf dem weißen Stein wuchsen Moose. Rolston lag oft neben ihm im Gras und sprach zu ihm, schwelgte in Erinnerungen oder redete von seiner Liebe. An anderen Tagen saß er nur still da und beobachtete ihn.
    Tag für Tag der gleiche Weg – bis er den Riß im Felsen sah. Rolston taumelte zurück. Mit einem Schlag waren alle Ängste, die Unsicherheit und die Verzweiflung wieder da. Aus aufgerissenen Augen beobachtete Rolston, wie der Riß sich zu einem Spalt verbreiterte, und weitere feine Linien sich in den Fels schnitten. Rolston hatte Tränen in den Augen, doch nicht lange. Als der Fels wie ein aufgestoßenes Ei auseinanderzufallen begann, stieß er einen Triumphschrei aus und machte sich daran, die einzelnen Stücke der Schale wegzureißen und fortzuschleudern.
    Naleen stand auf. Die letzten Stücke des Grel- Gewebes, das sie vor der Gluthitze des Sommers geschützt hatte, fielen von ihrem Körper ab. Sie war noch benommen. Die goldenen Adern des Grel- Systems, das die schützende, steinharte Schale erzeugt hatte, waren noch von feinem weißen Staub bedeckt. Rolston wischte ihn vorsichtig aus ihrem Gesicht. Sie atmete schwer, zum erstenmal wieder, seitdem sie vor zwei Jahren in den Sommerschlaf gegangen war. Rolston schälte sie völlig frei. Dann nahm er sie in die Arme. Naleen lächelte. Lange standen sie engumschlungen auf dem Hügel, bis Naleen den Mund freibekam, um zu flüstern: »Und nun möchte ich Dr. Munsen sehen …«
     

 
PUPPENMÖRDER
     
    Die große schwarze Plastikpuppe auf Mr. Steeles Schreibtisch hatte nur noch ein Bein. Beide Arme waren ebenso ausgerissen wie das zweite. Eine Augenhöhle war leer und die Nase nicht mehr als solche zu erkennen. Tully, der Nachtwächter, setzte sich in den Sessel, den der Manager des Warenhauses ihm anwies. Immer wieder blickte er zur Puppe. Die Haare waren ebenfalls ausgerissen. Von dem Kleid waren nur noch Reste übrig. Kein schöner Anblick, doch sollte Steeler ihn deswegen zu sich bestellt haben?
    Tully wollte eine entsprechende Frage stellen, als Steeles Sekretärin meldete, daß Tyson von der Elektroabteilung und Dodds, der Leiter der Spielzeugabteilung, im Vorzimmer warteten. Wenig später saßen sie zusammen vor dem Manager.
    »Normalerweise«, sagte Steele, ruhig wie immer, »habe ich wichtigere Dinge zu tun, als mich um

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