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Das zweite Leben

Das zweite Leben

Titel: Das zweite Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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lagen die Holzkeile noch am Boden. In Sekundenschnelle stieß er sie mit dem Fuß in den Spalt zwischen Tür und Boden, gerade, als sich von außen etwas mit solcher Wucht dagegenwarf, daß eine der Angeln aus der Verankerung gerissen wurde. Tully nahm die schmatzenden Geräusche hinter sich kaum wahr. Einer der Keile wurde unter der Flügeltür weggestoßen.
    Schwitzend trat er den Keil wieder in den Spalt. Im gleichen Augenblick flog ein zweiter heraus. Tully hatte eine grauenhafte Vision: Das kleinere Wesen mochte sich damit begnügen, Puppen zu verstümmeln, doch das große …?
    Er sah sich schon ohne Arme und mit nur einem Bein. Verzweifelt versuchte er, die Gedanken daran zu verscheuchen, redete sich ein, daß er es mit gutmütigen Außerirdischen zu tun hatte, und nicht mit der Art, die in Lovecrafts Romanen auftauchten – grausame, brutale und eklige Ausgeburten der Hölle, die den Weltraum und die Dimensionen bevölkerten. Tully hatte für Lovecraft nichts übrig, aber schwarze Monstren, die nicht nur Puppen die Augen ausstachen, wären schon recht nach dessen Geschmack gewesen …
    Zwei weitere Keile flogen Tully entgegen. Er konnte sich nicht mehr dazu aufraffen, sie zurückzutreten. Plötzlich war er wie gelähmt. Er, der geglaubt hatte, Wesen von einem anderen Stern ohne Furcht und unbefangen gegenübertreten zu können, wurde von Panik erfaßt und konnte sich vor Zittern kaum auf den Beinen halten. Erst jetzt wurde ihm wirklich bewußt, in welcher Lage er sich befand. Zu allem Überfluß hatte er die letzte Chance einer friedlichen Verständigung möglicherweise durch das Verbarrikadieren der Tür vertan. In den Augen des wütend anrennenden Monstrums mochte er alles Mögliche mit dessen Gefährtin anstellen. Er mußte ihm irgendwie beweisen, daß er nichts anderes wollte als mit ihnen reden.
    Und wieder kam ihm eine Idee.
    Er mußte alles auf eine Karte setzen. Tully konzentrierte sich auf seinen Plan und brachte es fertig, zur Tür zu gehen und die herausgestoßenen Keile wieder in den Spalt zu treten. Alles, was er jetzt brauchte, waren zehn Minuten Zeit, und er wagte nicht daran zu denken, was ihm bevorstand, falls die Voraussetzungen, von denen er ausging, sich als falsch erwiesen. Er trat so fest gegen die Keile, daß er das Gefühl hatte, alle Zehen seien gebrochen. Dann fuhr er herum und rannte zu einem Tisch, auf dem sich die Kästen mit der Modellierpaste für Kinder befanden. Er riß gleich einige auf und formte mit schweißnassen Händen zunächst eine unförmige Masse. Sie war grün, aber die Kästen enthielten zum Glück ein Spray, das das fertige Modell in Sekundenschnelle hart machte und gleichzeitig erlaubte, es mit allen möglichen, ebenfalls in den Kästen enthaltenen Farben zu bemalen. Tully arbeitete wie besessen und versuchte, nicht darauf zu achten, daß im Korridor ein Keil nach dem anderen unter der Tür herausgestoßen wurde.
    Seine Theorie basierte vor allem darauf, was er sich inzwischen über die Außerirdischen und ihr Wirken im Warenhaus zusammengereimt hatte. Dazu kam eine völlig verrückte Idee über das puppenmordende kleine Ungeheuer. Er mußte einfach recht haben! sagte er sich immer wieder verzweifelt. Es würde erklären, weshalb einer der Fremden nachts in die Elektroabteilung einbrach und aus verschlossenen Kisten selbst Rasenmäher stahl, dabei jede Spur verwischte und Tyson zum Wahnsinn trieb. Und es würde einen plausiblen Grund für das Treiben des kleineren Wesens liefern.
    Er war genau in dem Moment fertig, als der letzte Keil polternd in den Korridor flog. Tully zwang sich dazu, die schmatzenden und gurgelnden Laute des sich nähernden Monstrums zu ignorieren, als er sich flach auf den Bauch legte und auf das kleinere Wesen zukroch, sein Werk in der vorgestreckten Hand. Vielleicht hatte es auch nur Angst vor der Größe eines aufrecht gehenden Menschen. Es hatte sich in eine Ecke geflüchtet, bebte immer noch und gab in schneller Folge die bekannten Laute von sich. Hinter Tully wurde das Schmatzen lauter, und er roch etwas völlig Fremdes – kein Pfefferminz …
    Er kroch weiter, völlig wehrlos, nur von dem Gedanken getrieben, daß seine Vermutungen richtig sein mußten. Er sah sich nicht um. Und er wollte es einfach nicht wahrhaben, daß es draußen im Weltraum nichts anderes gab als Lovecrafts blutrünstige Ungeheuer.
    Tully war bis auf einen Meter an das verängstigte Geschöpf in der Ecke heran, als das größere neben ihm auftauchte. Es kümmerte

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