Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zweite Leben

Das zweite Leben

Titel: Das zweite Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
Vom Netzwerk:
sich überhaupt nicht um ihn, sondern schoß seine fünf Tentakel auf seinen Artgenossen ab. Dieser tat das gleiche. Die Tentakel trafen sich in der Luft und schienen sich ineinander zu verknoten. Tully hielt den Atem an. Erst, als das kleinere der beiden Wesen die Puppe nahm und sein Elter ein Sonnensystem mit siebzehn Planeten auf die Schiefertafel zeichnete, wußte er, daß alles überstanden war. Er hatte einem total verrückten Einfall vertraut und recht behalten.
    Tully sah den beiden nach, als sie mit schwappenden Körpern aus der Spielwarenabteilung auf den Korridor und ihr Schiff zu glitten. Morgen würde die Flügeltür wieder geöffnet und an die Wände verkeilt sein wie immer, und niemand würde das dahinterliegende Loch in der Wand bemerken.
     
    In den frühen Morgenstunden, als er in der Spielwarenabteilung aufräumte und versuchte, auch alle anderen Spuren zu beseitigen, lachte Tully bei dem Gedanken, daß es ihm von Anfang an hätte klar sein müssen, daß nur ein Kind hinter der Puppenaffäre stecken konnte. Während sein Elter in der Elektroabteilung nach brauchbaren Geräten zur Reparatur des Raumschiffs suchte, wurde es Junior allein im Raumschiff langweilig. Er wollte mit Puppen spielen wie jedes menschliche Kind, doch die Puppen, die er vorfand, hatten alle die falsche Gestalt. Und so hatte er sich diejenigen herausgesucht, die wenigstens in der Farbe seinen Geschmack trafen, und versucht, ihnen ein vertrautes Aussehen zu geben. Die bis auf die Zöpfe ausgerissenen Haare – die Zöpfe sollten die fünf Tentakel darstellen. Das ausgestochene Auge – die Fremden besaßen ebenfalls nur eines. Ohne Arme und mit nur einem Bein glichen die Puppen dann tatsächlich mit einiger Phantasie den Außerirdischen. Allerdings war Junior damit immer noch nicht zufrieden gewesen, sonst hätte er sie mit ins Schiff genommen, so wie er es mit Tullys Puppe gemacht hatte, für die er ungewollt Modell gestanden hatte.
    Es würde nun keine verunstalteten schwarzen Puppen mehr geben. Die »Spucke« auf den Treppen? Nun, die Fremden waren es nicht gewohnt, Treppen zu steigen, und der Senior hatte hier und da etwas von seiner Körperflüssigkeit verloren. Auch das würde vorbei sein, sobald die Reparaturen am Schiff abgeschlossen waren und die zu Werkzeugen umfunktionierten Geräte wieder in ihrer alten Form in Tysons Lager auftauchen würden. Tyson würde sich wundern, doch alles in allem, konnte jedermann zufrieden sein – auch Tully.
    Wer wollte da behaupten, er hätte einen langweiligen Job?
    Er entfernte die Kaugummiklümpchen und die Fäden von den Türen und Treppen. Dann sah er auf die Uhr.
    Zeit für die letzte Story seines Magazins.
     

 
UND DAS WELTALL SCHWEIGT …
     
    Wie ein grüner, jungfräulicher Pflanzenteppich zog die Oberfläche des Planeten sieben Kilometer unter dem abbremsenden Schiff vorbei. Keine Städte, keine Straßen, die die ausgedehnten Wiesen, Wälder und Blumenmeere zerschnitten. Auf den ersten Blick ein Paradies, doch die Sensoren des Schiffes und die alten, erfahrenen Augen der zweiköpfigen Besatzung wußten es besser. Das Grün war nichts weiter als Fassade, kosmetische Verschönerung einer Welt, die jahrtausendelang von ihren Bewohnern ausgebeutet, vergewaltigt und zerstört worden war, bis alles Leben, abgesehen von Insekten, von ihr verschwand.
    »Wir verschwenden unsere Zeit«, sagte Jan in einem Ton, der zeigte, daß sie wieder einmal Streit suchte. Peter überhörte es. Er überwachte die Landung und ließ sich nicht ablenken. Seine Frau zuckte die Schultern und schaltete ihren Bildschirm auf Vergrößerung. Peter konnte nicht sehen, welchen Teil der Oberfläche sie so interessiert betrachtete, weil ihr Kopf im Weg war.
    Durch das Licht des Bildschirms, vor dem von Jan nur das Profil zu sehen war, wirkte sie fast wieder jung. Peter fühlte sich an die alte Jan erinnert, bevor sie graues Haar und unzählige Falten im Gesicht bekommen hatte. Eine optische Täuschung, dachte er bitter. Sie waren beide alt geworden. Ein Kannibale auf einer unerschlossenen Welt hätte sich die Zähne an ihnen ausgebissen.
    Achtzig Jahre im Schiff, dachte er. Eine verdammt lange Zeit.
    Die Landung. Die Landestützen bohrten sich in den weichen Boden. Die Rundum-Bildschirme leuchteten auf und zeigten scharfe Bilder, als das Schiff nicht mehr vibrierte.
    »Zeitverschwendung!« wiederholte Jan. »Wir waren schon hier!«
    »Das ist unwahrscheinlich«, entgegnete Peter. »Du täuschst dich. Einer

Weitere Kostenlose Bücher