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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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der größten Strenge vorgehen; es fragte sich nur, ob es dazu nicht schon zu spät wäre.
    Im Laufe der nächsten acht Tage kam indeß kein weiterer Verstoß gegen die Disciplin vor. Da die »Flag« aus ihrer Route um mehrere hundert Seemeilen nach Osten verschlagen worden war, mußte sie jetzt nach Westen umkehren, um in gleiche Länge mit der Neuen Schweiz zu kommen.
    Da erschien am 20. September gegen zehn Uhr Robert Borupt, obwohl sein Arrest nicht aufgehoben worden war, zum Erstaunen aller wieder auf dem Verdeck.
    Die auf dem Hintertheile des Schiffes versammelten Passagiere hatten die unbestimmte Empfindung, daß der bisherige Ernst der Lage sich noch verschlimmern werde.
    Sobald der Kapitän den zweiten Officier nach dem Verdeck gehen sah, trat er auf diesen zu.
    »Lieutenant Borupt, rief er diesen an, Sie haben noch Arrest! Was haben Sie hier zu schaffen? Antworten Sie!
    – Ja… gewiß, erwiderte Borupt grollend, meine Antwort sollen Sie sofort hören!«
    Damit drehte er sich zu den Mannschaften des Schiffes um.
    »Hierher… zu mir, Kameraden! rief er.
    – Hurrah für Robert Borupt!« schallte es vom Bug bis zum Heck zurück.
    Harry Gould eilte nach seiner Cabine und erschien daraus wieder mit einer Pistole in der Hand. Doch ehe er Gebrauch machen konnte, krachte schon ein Schuß von einem der Matrosen, die sich um Borupt drängten, und am Kopfe schwer verwundet, sank er dem Obersteuermann in die Arme.
    Gegenüber der gesammten sich empörenden Besatzung, die vom zweiten und dritten Officier noch aufgehetzt wurde, war jetzt an Widerstand nicht zu denken. Trotzdem versuchten John Block, Fritz, Franz und James Wolston, die sich um Harry Gould geschart hatten, den Kampf aufzunehmen. Von der Menge erdrückt, sahen sie sich jedoch sehr bald überwunden, und zehn Matrosen schleppten sie sammt dem Kapitän nach dem Laderaum hinunter.
    Jenny, Doll und Suzan mit dem Kinde wurden in ihre Cabinen eingesperrt, vor deren Thüren Borupt, der jetzt allein den Befehl führte. Wachen stellte.
    Das war eine entsetzliche Lage für die Gefangenen in dem fast ganz finsteren Frachtraume, und vor allem für den unglücklichen Kapitän mit seiner schmerzhaften Kopfwunde, auf die hier nur feuchte, kalte Umschläge gelegt werden konnten. Der Obersteuermann bemühte sich jedoch, ihn zu pflegen, so gut es anging. Fritz, Franz und James Wolston waren natürlich die Beute der quälendsten Unruhe. Die drei Passagiere in der Gewalt der Meuterer der »Flag«! Wie centnerschwer drückte auf sie das Gefühl ihrer traurigen Ohnmacht.
    So verstrichen mehrere Tage. Je zweimal, des Morgens und des Abends wurde der Deckel der Luke des Frachtraumes abgehoben und erhielten die Gefangenen etwas Nahrung. Auf alle Fragen John Block’s antworteten die Matrosen nur mit rohen, drohenden Worten, und gegen Fritz, Franz und James stießen sie die schlimmsten Beleidigungen aus.
    Wiederholt versuchten der Obersteuermann und seine Unglücksgefährten sich dadurch zu befreien, daß sie den Lukendeckel abzuwerfen suchten. Dieser wurde aber Tag und Nacht streng bewacht; doch wenn es ihnen auch gelungen wäre, ihn abzuheben, die Wachposten zu bezwingen und auf das Verdeck zu gelangen, so mußten sie hier doch der übrigen Mannschaft unterliegen, und Robert Borupt hätte wohl noch eine grausamere Behandlung und Strafe über sie verhängt.
    »Dieser Elende!… Dieser Schurke! wiederholte Fritz in Gedanken an seine Gattin, an Suzan und Doll.
    – Ja, der verruchteste Kerl, den es geben kann, sagte John Block, und wenn der nicht einst noch am Galgen baumelt, giebt es keine Gerechtigkeit mehr auf Erden.«
    Um die Meuterer zu bestrafen, um ihrem Anführer den verdienten Lohn zu geben, wäre es freilich nöthig gewesen, daß sich ein Kriegsschiff der »Flag« bemächtigte. Robert Borupt hütete sich aber weislich, nach mehr befahrenen Gegenden zu steuern, wo seine Spießgesellen und er Gefahr liefen, verfolgt zu werden.
    Er hatte das Schiff jedenfalls von seinem Curs weggeführt, wahrscheinlich zunächst nach Osten zu, um von den Küsten Afrikas und Australiens gleich weit entfernt zu sein. Jeder Tag vergrößerte jetzt die Entfernung der »Flag« vom Meridian der Neuen Schweiz gut um fünfzig bis sechzig Lieues. Harry Gould und der Obersteuermann konnten aus der stets über Backbord geneigten Lage des Fahrzeuges erkennen, daß dieses schnell dahinsegelte. Des Knarren und Krachen an der Einfügungsstelle der Masten verrieth, daß der zweite Officier hatte so viel

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