Das zweite Vaterland
plötzlichen Stürme hindeutete. welche die Meere hier gar zu häufig heimsuchen.
Gegen drei Uhr des Nachmittages entstand ein so heftiger Wogengang, daß er das Schiff fast zu verschlingen drohte. Es steht schon sehr schlimm um ein Fahrzeug wenn es auf die Seite gelegt dem Steuer nicht mehr gehorcht und Gefahr läuft, sich, ohne daß die Masten gekappt werden, nicht wieder aufrichten zu können. Dann ist es auch nicht mehr imstande, durch gerades Anlaufen auf die Wellen zu gegen diese anzukämpfen, und ist dem Wüthen des Orcans hilflos preisgegeben.
Es versteht sich von selbst. daß sich die Passagiere seit dem Anfange des Sturmes hatten zurückziehen müssen, denn das Verdeck wurde immer und immer wieder mit einem schäumenden Wassersckwalle überspült. Nur Fritz und Franz waren oben geblieben, um der Mannschaft im Falle der Noth an die Hand zu gehen. Von der ersten Stunde an hatten Harry Gould mittschiffs, und der Obersteuermann am Ruder ihren Posten eingenommen, während der zweite und der dritte Officier nahe dem Bugspriet standen. Die Mannschaft hielt sich bereit, jeden Befehl schleunigst auszuführen, denn es handelte sich hier um Leben und Tod. Der geringste Fehler in einem Segelmanöver hätte, wenn die Wogen an die weit nach Backbord übergebeugte »Flag« anprallten. den gewissen Untergang bringen können. Vor allem kam es jetzt darauf an, das Schiff wieder emporzurichten und die Segel so einzustellen, daß es den Windstößen sozusagen die Stirn bot.
Und doch sollte ein solcher Fehler begangen werden, wenn nicht gar absichtlich, da das Schiff dadurch unterzugehen drohte. so doch infolge der falschen Auffassung einer Anordnung des Kapitäns, die bei einem Officier mit der nöthigen Erfahrung und mit seemännischem Instinct nicht hätte vorkommen dürfen.
Keinem anderen als Robert Borupt, dem zweiten Officier, fiel dafür die Verantwortlichkeit zu. Unter dem Drucke des falsch gestellten Marssegels tauchte das Fahrzeug vorn noch tiefer ein und eine ungeheure Woge schäumte über die Reling herein.
»Der verdammte Borupt will uns wohl zum Kentern bringen! rief Harry Gould.
– Er hat dazu wenigstens gethan, was er konnte,« antwortete der Obersteuermann, der sich mit aller Kraft bemühte, das Ruder nach Steuerbord umzulegen.
Der Kapitän stürmte über das Deck hin nach dem Vordertheile zu, ohne darauf zu achten, daß er über Bord gespült werden könnte, und erreichte mit großer Mühe den Bug des Schiffes.
»In Ihre Cabine, rief er mit wüthender Stimme, hinein in Ihre Cabine, und verlassen Sie diese nicht wieder!«
Der von Robert Borupt begangene Fehler lag so offenbar auf der Hand, daß keiner von der Mannschaft, die sonst bereit gewesen wäre, sich auf seinen Ruf um ihn zu schaaren, jetzt die Stimme zu erheben wagte. Der zweite Officier gehorchte ohne Widerspruch und schwankte nach dem Hintertheile und seiner Cabine zu.
Harry Gould that nun sofort, was ihm unter den gegebenen Umständen möglich war. Durch angepaßte Einstellung aller Segel, die die »Flag« jetzt tragen konnte, gelang es ihm, diese wieder mehr aufzurichten, ohne die Masten kappen zu müssen, und nun lag auch das Schiff nicht mehr mit der Breitseite gegen den Wogengang.
Drei Tage lang mußte man vor dem Sturme flüchten – immer unter schweren Gefahren, die indeß durch den Kapitän und den Obersteuermann glücklich abgewendet wurden. Fast die ganze Zeit über mußten Suzan, Jenny und Doll in ihren Cabinen bleiben, während Fritz, Franz und James sich an den Segelmanövern betheiligten.
Am 13. September ließ sich endlich eine Abnahme der atmosphärischen Störung erkennen. Der Wind flaute ab, und wenn sich das Meer auch nicht sofort beruhigte, so nahm die »Flag« doch kein Wasser mehr über.
Nun beeilten sich die Passagiere, ihre Cabinen zu verlassen. Sie wußten, was zwischen dem Kapitän und dem zweiten Officier vorgekommen und warum dieser seiner Function enthoben worden war. Ueber eine Bestrafung Robert Borupt’s sollte erst nach der Rückkehr eine Seebehörde entscheiden.
Zunächst waren jetzt viele Havarien am Segelwerk auszubessern; John Block, der diese Arbeiten leitete, erkannte aber sehr bald, daß die Mannschaft zu einer Meuterei geneigt sei.
Sie waren aber wenigstens beisammen! (S. 293.)
Das konnte auch Fritz, Franz und James Wolston nicht entgehen und flößte ihnen vielleicht mehr Besorgniß ein, als vorher der tolle Sturm. Gewiß würde der Kapitän gegen jeden, wer es auch sein mochte, mit
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