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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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schlug wiederholt in eine weniger günstige Richtung um oder es trat gar völlige Windstille ein, die in der Tropenzone öfters kaum enden zu wollen scheint, oder es herrschte endlich vorübergehend stürmisches Wetter, das die gut geführte Corvette indeß ohne Schaden zu nehmen überstand. Auf dem südlichen Atlantischen Meere begegnete man dann und wann Schiffen, die dann Nachrichten von der »Licorne« nach Europa brachten. In dieser Zeit tiefsten Friedens nach so langen und furchtbaren Kriegen waren alle Meere besonders sicher und den Schiffen drohte in dieser Beziehung keinerlei Gefahr.
    Fritz und Franz lernten jetzt auch den Schiffskaplan näher kennen, der selbst wieder in Indien den Oberst Montrose gekannt hatte. Mit welch besserem Vertrauten hätte Jenny von ihrem Vater sprechen können, als mit dem Manne, der ein näherer Freund das Obersten gewesen war. Von ihm vernahm sie, was dieser seit seiner Rückkehr nach England gelitten hatte und wie unruhig er zuerst in Erwartung der Ankunft des »Dorcas« gewesen, der einige Tage vor dem Schiffe, das ihn selbst nach Europa zurücktrug, abgesegelt war. Welche Qualen, welche Verzweiflung mochte er dann empfunden haben, als es bekannt wurde, daß der »Dorcas« mit Mann und Maus verloren gegangen war! Später war der Oberst mit gebrochenem Herzen nach jenem Feldzuge abgereist, von dem er nicht zurückkehren sollte.
    War die »Licorne« bei ihrer Fahrt durch den Atlantischen Ocean so ziemlich begünstigt gewesen, so traf sie dagegen nahe dem südlichen Afrika auf recht schlechtes Wetter. In einer Nacht Mitte August brach ein schwerer Sturm von Osten her los, der sie weit aufs Meer hinaus verschlug. Da dieser an Heftigkeit mehr und mehr zunahm, mußte man, angesichts der Unmöglichkeit, den richtigen Curs einzuhalten, einfach vor ihm fliehen. Der Kapitän Littlestone entwickelte, kräftig unterstützt von seinen Officieren und Mannschaften, unter diesen Umständen eine erstaunliche Gewandtheit. Infolge mehrfacher ernster Havarien war die »Licorne« aber doch dem Untergange nahe, so daß sogar der Besanmast gekappt werden mußte. Am Hintertheile war auch ein Leck entstanden, das man nur mit Mühe nothdürftig verstopfen konnte. Als endlich der Wind abflaute, konnte der Kapitän Littlestone seinen Curs wieder aufnehmen und er beeilte sich dann, nach Capetown zu kommen, um die erlittenen Havarien ausbessern zu lassen.
    Am Morgen des 10. September meldete die Wache das Insichtkommen des Tafelberges, der im Hintergrunde der gleichnamigen Bai emporragt.
    Sobald die »Licorne« an ihrem Ankerplatze festgelegt war, kamen James Wolston, seine Frau und seine Schwester, die sich eines Bootes bedient hatten, an Bord.
    Mit welchem Jubel wurden da Fritz, Jenny und Franz begrüßt! Welch’ beglückender Augenblick für alle! Die beiden jungen Frauen waren überglücklich, einander wiederzusehen, und die reizende Doll gab unbefangen Fritz den herzlichen Kuß zurück, den dieser auf ihre frischen Wangen gedrückt hatte. Natürlich wurde übrigens Franz seinem Bruder gegenüber nicht so auffallend bevorzugt. Wie sehr drängte es endlich alle, ihre Existenz für immer in jenem zweiten Vaterlande begründet zu sehen, wo die Familie Zermatt und Wolston sie so ungeduldig erwarteten.
    Seit zehn Monaten hatten sie von diesen ja keinerlei Nachricht erhalten. Obwohl sie sich über das Schicksal der Bewohner von Felsenheim wohl nicht zu beunruhigen brauchten, erschien ihnen das Fernbleiben von dort doch recht lang, ja fast endlos. Wie herrlich mußte es sein, wenn sich erst alle wieder in Sicht der Neuen Schweiz vereinten, deren Längen-und Breitenlage der Kapitän Littlestone ja schon kannte. Stunde für Stande von dem Vater Zermatt, seiner Frau, von Ernst und Jack, sowie von Herrn und Frau Wolston und Annah zu plaudern, das verkürzte leider nicht die Entfernung bis zu diesen und wog nicht das Glück auf, wieder auf dem Gelobten Lande zu wandeln.
    Was die Geschäftsangelegenheiten James Wolston’s anging, so hatten sich diese nach Wunsch abwickeln und ordnen lassen.
    Leider war es aber zunächst unmöglich, die Reise fortzusetzen. Die Havarien der »Licorne« erwiesen sich als so bedeutend, daß ihre Ausbesserung einen längeren Aufenthalt im Hafen von Capetown nöthig machte. Jedenfalls nahmen diese, nach zeitweiliger Entladung der Corvette, noch eine Zeit von zwei bis drei Monaten in Anspruch. Vor Ende October war gar nicht darauf zu rechnen, daß sie nach der Neuen Schweiz absegeln

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