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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wollten sie zu zweien oder dreien gehen. Thatsächlich wanderten sie ja nur gleichsam im Grunde eines Risses des Bergstockes, der zwischen zwei lothrechten, acht-bis neunhundert Fuß hohen Wänden hin verlief.
    Nach etwa hundert Schritten auf gerader Strecke zeigte der Boden eine deutliche Neigung, so daß man schnell vorwärts kam. Freilich verlängerte sich dadurch der Gesammtweg, denn wenn er auf dem Plateau ausmündete, mußte an der etwa achtzig Toisen betragende Höhenunterschied zwischen diesem und dem Vorlande erst überwunden werden. Der Weg wurde auch durch viele Krümmungen noch weiter verlängert. Das Ganze machte den Eindruck eines Labyrinths, das sich in schroffen und launischen Windungen durch die Bergmasse hinzog. Da es aber an Licht von obenher niemals fehlte, glaubte Harry Gould beurtheilen zu können, daß die Hauptrichtung der Schlucht von Süden nach Norden verlief. Die Seitenwände traten nach und nach weiter auseinander, was das Fortkommen des kleinen Trupps erleichterte.
    Gegen zehn Uhr mußte einmal zur Erholung Halt gemacht werden. Man hatte eine geräumige, halbrunde Stelle erreicht, über der ein größeres Stück des Himmels sichtbar war.
    Franz schätzte die Höhenlage dieser Stelle nur auf etwa zweihundert Fuß über der Meeresfläche.
    »Wenn das richtig ist, sagte er, würden wir zum Aufstieg fünf bis sechs Stunden brauchen.
    – O, dann wär’ es ja noch heller Tag, wenn wir oben ankommen, bemerkte Fritz, und wir hätten nöthigenfalls sogar noch Zeit, vor der Nacht zurückzukehren.
    – Sie haben ganz recht, Fritz, sagte Harry Gould, wissen wir denn aber, ob die Schlucht sich nicht durch zahlreiche Umwege verlängert?
    – Und ob sie überhaupt nach dem Steilufer hinausführt? setzte Franz hinzu.
    – Ob wir nun nach dem Gipfel oder nach der Seite der Felsmauer kommen, ließ sich der Obersteuermann vernehmen, nehmen wir die Dinge, wie sie liegen. Gelangen wir nach oben… nun gut, kommen wir tiefer unten heraus… auch gut, es kommt ja darauf nicht so viel an!«
    Das war ja richtig, und doch, welche Enttäuschung, welche Entmuthigung mußte es zur Folge haben, wenn dieser Weg durch ein unüberwindliches Hinderniß geschlossen war und also keinen Ausgang ins Freie bot.
    Nach halbstündiger Rast brach die kleine Gesellschaft wieder auf. Die auch weiterhin in Windungen verlaufende Schlucht, die zehn bis zwölf Fuß Breite hatte, zeigte einen sandigen, zuweilen mit Steinen besäten Boden, doch keine Spur von Pflanzenwuchs. Das ließ darauf schließen. daß auch das Oberland unfruchtbar sein müsse, denn sonst hätte doch ein, vom Regen hereingespültes Samenkorn, hätte irgend ein Keim hier doch Wurzel geschlagen; davon zeigte sich aber nichts, nicht einmal ein Büschel von Flechten oder Moosen.
    »Liebe Jenny, begann Fritz nach Beendigung des einfachen Mahles, ich ersuche Dich, mit Frau Wolston und Doll hier zurückzubleiben, Franz wird Euch gern Gesellschaft leisten. Der Kapitän Gould, John Block und ich, wir werden versuchen, die Höhe des Steilufers zu erreichen. Verirren können wir uns ja unmöglich. Dann treffen wir Euch hier an dieser Stelle wieder an und Ihr habt Euch eine vielleicht nutzlose Anstrengung erspart«
    Jenny bat aber, unterstützt von Suzan und Doll, ihren Gatten so inständig, sie mitzunehmen, daß Fritz nachgeben mußte, obwohl Harry Gould seinem ersten Vorschlage beigestimmt hatte.
    Um drei Uhr wurde der Weg wieder fortgesetzt, gleich von Anfang an aber zeigte sich, daß dieser je länger je mehr immer größere Schwierigkeiten bot. Er verlief ziemlich steil aufwärts, und dazu machte der oft mit Geröll bedeckte Boden, auf dem bei jedem Schritte einzelne Steine ins Rollen kamen, den Aufstieg höchst mühsam, so daß Harry Gould und Fritz nur mit äußerster Vorsicht dahinschritten. Die Schlucht hatte sich jetzt übrigens zu einer Art Hohlweg verbreitert, dessen Böschung noch um zwei-bis dreihundert Fuß aufstieg. Wiederholt mußte einer der Wanderer dem anderen helfen und diesen an den Armen emporziehen. Alles deutete indeß darauf. hin, daß das Plateau zu erreichen sein werde. Der Albatros breitete die mächtigen Schwingen aus und schwebte leicht in die Höhe, als wolle er einladen, ihm zu folgen. Ach, daß man ihn in seinem Fluge nicht begleiten konnte!
    Nach unerhörten Anstrengungen befanden sich gegen fünf Uhr alle glücklich auf der Uferhöhe.
    Von hier aus war aber nach Süden, Osten und Westen hin nichts zu sehen, als das unendliche Meer!
    Nach

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