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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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und das traf doch nach allen Seiten für niemand mehr zu als für die Bewohner der Neuen Schweiz, für die einzigen Ueberlebenden aus dem Schiffbruche des »Landlord«.
    Der Leser weiß schon, welch unerwarteter Zwischenfall diese Sachlage so gründlich ändern sollte.
Sechstes Capitel.
Nach der Abfahrt. – Was von der Neuen Schweiz bekannt war. – Die Familie Wolston. – Neue Pläne. – Herstellung eines Canals zwischen dem Schakalbache und dem Schwanensee. – Ende des Jahres 1816.
    In den ersten Tagen nach der Abfahrt der »Licorne« herrschte tiefe Betrübniß in Felsenheim. Wie hätte es auch anders sein können? Es schien ja, als ob auf diesem von der Vorsehung sonst so begünstigten Fleckchen Erde das Unglück eingezogen wäre. Zermatt und seine Gattin konnten sich nicht darüber trösten, daß sie zwei ihrer Kinder hatten fortgehen lassen, und doch war das nicht zu verhindern gewesen, da die Umstände es verlangten und auch einen Aufschub der schmerzlichen Trennung nicht gestatteten.
    Man darf von dem Herzen eines Vaters und einer Mutter aber nicht mehr verlangen, als es ertragen kann. Fritz, der thatenfrohe junge Mann, war nicht mehr da, Fritz, der kraftvolle Arm dieser Familie, die in ihm schon ihr zukünftiges Haupt erblickte, und dazu fehlte auch noch Franz, der der Fährte seines älteren Brudern folgte.
    Ernst und Jack waren freilich noch da. Der erste hatte jetzt sein früheres eifriges Studium aufgegeben und sich, dank einem vorzüglichen Unterrichtsmaterial, eine ebenso gründliche, wie praktische Bildung angeeignet. Der zweite theilte mehr die Neigungen des ältesten Bruders Fritz, er liebte die Jagd, den Fischfang, das kühne Reiten und die Schifffahrt und versprach, bei seinem Eifer, die letzten Geheimnisse der Neuen Schweiz zu entschleiern, seinen Bruder in dessen abenteuerlichen Ausflügen zu ersetzen. Endlich war aber auch sie nicht mehr da, die reizende, von allen geliebte Jenny Montrose, deren Abwesenheit Betsie ganz wie die einer ihr theueren Tochter betrauerte. Und die Plätze der drei in den Stuben von Felsenheim leer zu leben, leer am gemeinschaftlichen Tische, leer in dem Raume, wo sich alle jeden Abend zusammenfanden – das drohte ihr das Herz zu brechen. Es schien, als ob alle Freuden des häuslichen Herdes, der infolge der Trennung erkaltet war, erloschen wären gleich einem Feuer, das der Athemzug eines vertrauten Kreises nicht mehr belebte.
    Ohne Zweifel kehrten ja alle zurück und dann würde der Kummer über die Abreise, die Trauer über ihre Abwesenheit vergessen sein. Ja, sie kehrten gewiß zurück und mit ihnen neue Freunde: der Oberst Montrose, der sich von seiner Tochter nicht würde trennen wollen, nachdem er dieser ihren Retter als Gatten gegeben hatte; ferner Doll Wolston, ihr Bruder James, dessen Gattin und Kind, die sich mit allen den Ihrigen sicherlich gern in diesem Lande niederließen, und schließlich würden vielleicht gar zahlreiche Auswanderer diese entlegene Colonie Großbritanniens bevölkern.
    Ja, höchstens nach einem Jahre würde eines schönen Tages draußen vor dem Cap der Getäuschten Hoffnung ein von Westen kommendes Schiff auftauchen, doch nicht nach Norden oder Osten zu wieder verschwinden, sondern in die Rettungsbucht einlaufen. Wahrscheinlich würde das die »Licorne« sein. Doch wenn es auch ein beliebiges anderes wäre, jedenfalls brachte es dann den Oberst Montrose mit seiner Tochter, brachte es Fritz und Franz, sowie die Kinder des Herrn und der Frau Wolston hierher.
    Die Verhältnisse hatten sich jetzt also gänzlich geändert. Die Bewohner der Neuen Schweiz waren nicht mehr jene Schiffbrüchigen vom »Landlord«, die auf einer unbekannten Küste Obdach gefunden hatten und nur vom Zufalle auf eine Hilfe warteten, die gar zu häufig niemals eintrifft. Die Lage dieses Landes war jetzt der geographischen Länge und Breite nach festgestellt. Der Lieutenant Littlestone besaß die bezüglichen genauen Aufnahmen und er übermittelte sie natürlich der Admiralität, die dann die nöthigen Schritte zur Besitzergreifung veranlassen würde.
    Als die Corvette von der Neuen Schweiz absegelte, war es, als ob sich von ihr gleichzeitig ein Tausende von Lieues langes Band abzurollen begönne, ein Band, das jene mit der Alten Welt verknüpfte und das nichts mehr zerreißen konnte.
    Bisher war von dem Lande freilich nur ein Theil der nördlichen Küste bekannt, höchstens fünfzehn bis sechzehn Lieues des Ufergebietes zwischen der »Licorne«-Bai und der

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