Das zweite Vaterland
Schakal Jacks, wetteiferte mit den Hunden, deren gewöhnlicher Begleiter er war, bei diesen Jagdausflügen. Der junge Mann ritt dann zuweilen auf seinem Wildesel Leichtfuß, der diesem Namen alle Ehre machte, zuweilen auch auf dem Strauße Brausewind oder auf dem Büffel Sturm, der wie ein Orkan durch den Hochwald fegte. Dem jungen Wagehals war ausdrücklich anempfohlen worden, stets innerhalb der Grenzen des Gelobten Landes zu bleiben und jedenfalls nie über den Paß der Cluse hinauszugehen, wo er der Gefahr des Zusammentreffens mit Raubthieren ausgesetzt war. Auf die Bitte seiner Mutter hatte er sich auch verpflichten müssen, seine Abwesenheit nie bis über den laufenden Tag auszudehnen und stets wenigstens zum Abendessen wieder daheim zu sein.
Zuweilen leistete ihm dabei Annah Wolston Gesellschaft.
Obwohl er das versprochen hatte, verhehlte Betsie ihre Besorgniß doch niemals, wenn sie ihn mit Pfeilgeschwindigkeit hinter den ersten Bäumen bei Felsenheim verschwinden sah.
Was Ernst betraf, so bevorzugte dieser statt der aufregenden Jagd den ruhigeren Fischfang, dem er entweder an den Ufern des Schakalbaches oder am Fuße der Felsen an der Flamingobai oblag. An diesen Stellen wimmelte es geradezu von Krusten-und Weichthieren und Fischen, wie von Seelachsen, Heringen, Makrelen, Hummern, Krebsen, Austern und Miesmuscheln. Zuweilen leistete ihm dabei Annah Wolston Gesellschaft, was er gewiß nicht ungern sah.
Wir brauchen wohl kaum hervorzuheben, daß sich das junge Mädchen die Pflege des Cormorans und des Schakals vom Rauchenden Felsen gewissenhaft angelegen sein ließ. Ihr hatte Jenny vor der Abreise die Thiere anvertraut, und damit waren sie sicherlich in gute Hände gegeben. Bei ihrer Heimkehr fand Jenny diese beiden treuen Gefährten, die innerhalb der Umfriedigung von Felsenheim ganz frei umherlaufen konnten, jedenfalls in blühendster Gesundheit wieder. Wenn der Cormoran aber sich mit den übrigen Bewohnern des Geflügelhofes recht gut vertrug, befreundete sich der Schakal kaum oder gar nicht mit dem Jacks, soviel sich sein Herr auch darum bemüht hatte. Beide erwiesen sich auf einander höchst eifersüchtig, so daß es zwischen ihnen manchmal zu einem kleinen Scharmützel kam.
Das durch das Wasser angetriebene Rad bewegte sich vorschriftsmäßig. (S. 100.)
»Ich verzichte darauf, sagte deshalb Jack eines Tages zu Annah, diese beiden Burschen an einander zu gewöhnen, und ich überlasse sie lieber Ihnen.
– Rechnen Sie auf mich, Jack, antwortete Annah, vielleicht gelingt es mir mit einiger Geduld doch noch, sie gegenseitig freundlicher zu stimmen.
– Versuchen Sie es nur, liebe Annah; ein Paar Schakals sollten doch gute Kameraden sein!
– Mir scheint auch, Jack, daß der eine Ihrer Affen…
– Ah, Knips II.?… Ja freilich, der weist Jennys Günstling gerne die Zähne!«
Knips II. schien sich thatsächlich gegenüber dem später Gekommenen recht feindselig zu verhalten, und es mochte wohl schwierig sein, die Thiere, obwohl sie beide sonst zahm waren, unter einander verträglicher zu machen.
In dieser Weise gingen die Tage dahin. Betsie und Merry hatten kaum je eine Mußestunde übrig. Während Frau Zermatt die Kleidungsstücke ausbesserte, fertigte die in Näharbeiten sehr geschickte Frau Wolston neue an, und zwar für die Frauen ebenso wie für die Männer. Stoffe dazu waren aus dem gescheiterten »Landlord« in ausreichender Menge vorhanden.
Das Wetter war jetzt sehr schön und die Luftwärme noch recht erträglich. Des Vormittags wehte der Wind vom Lande, des Abends vom Meere her. Die Nächte blieben erquickend und frisch. Diese letzte Woche des Octobers-des Aprils in der nördlichen Breite – sollte nun bald dem November weichen, dem Monate des Wiederauflebens, dem Frühlingsmonat auf der südlichen Halbkugel.
Die beiden Familien vergaßen es nicht, die Meiereien häufig zu besuchen und begaben sich dahin einmal zu Fuße und ein andermal in dem von einem Büffelgespann gezogenen Wagen. Ernst bestieg dann meist seinen jungen Esel Rasch, und Jack ritt stolz auf dem Strauße. Dem Herrn Wolston bekamen diese Ausflüge ganz vortrefflich. Sein Fieber verrieth sich nur noch in seltenen und leichten Anfällen.
Von Felsenheim nach Falkenhorst führte eine schöne, schon vor zehn Jahren an den Seiten bepflanzte Straße, deren Maronen-, Nuß- und Kirschbäume tiefen Schatten spendeten. Zuweilen verlängerte sich der Aufenthalt in der Lustwohnung über vierundzwanzig Stunden,
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