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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Druck einer leichten, von der See her wehenden Brise trieb sie nach der Mündung des Montrose-Flusses. Dann glitt sie, den Wind im Rücken und immer die Mitte der Wasserfläche haltend, langsam stromaufwärts.
    Die Entfernung von einem Ufer zum anderen betrug nicht weniger als zweihundertundfünfzig bis dreihundert Fuß, und soweit man das Flußbett übersehen konnte, schien sich diese Breite auch nicht zu vermindern.
    Zur Rechten setzte sich die Steiluferwand, doch allmählich niedriger werdend, noch weiter fort, während sich der Erdboden mit kaum bemerkbarer Steigung hob. Zur Linken, und weit über das niedrige Ufer hin, schweifte der Blick über weite, von Gehölz und Buschwerk unterbrochene Ebenen hin. Die Baumgipfel zeigten bereits den der vorgeschrittenen Jahreszeit entsprechenden gelbbraunen Schimmer.
    Nach halbstündiger, ziemlich schneller Fahrt erreichte die »Elisabeth« die erste Biegung des Montrose, der von hier aus unter dreißiggrädigem Winkel nach Südwesten verlief.
    Jenseit dieser Ecke hatten die Ufer nur noch zehn bis zwölf Fuß Höhe, jedenfalls die der allerstärksten Fluth. Das verrieth sich durch die Linie, bis zu der fortgeschwemmte Pflanzentheile an dem gleich Bajonetten spitzigen Schilfe und Rohr hängen geblieben waren. Heute, am 19. März, erreichte aber die Aequinoctial-Springfluth ihre größte Höhe, und so konnte man aus jenen Pflanzenresten schließen, daß das Flußbett genügen mußte, sie aufzunehmen und daß das benachbarte Land von keiner Ueberfluthung bedroht wurde.
    Die Pinasse glitt mit der Geschwindigkeit von drei bis vier Lieues in der Stunde dahin, so daß sie in der noch übrigen Fluthzeit noch sieben bis acht Lieues hätte zurücklegen können.
    Ernst, der diese Geschwindigkeit geniessen hatte, knüpfte daran folgende Bemerkung:
    »Das wäre ungefähr die Entfernung, in der sich unserer Schätzung nach die Berge im Süden erheben sollen.
    – Ganz richtig, stimmte ihm Wolston zu, und wenn der Fluß bis an den Fuß der Bergkette reicht, hätte es ja keine Schwierigkeit, dahin zu gelangen. In diesem Falle brauchten wir unseren geplanten Ausflug nicht um drei bis vier Monate aufzuschieben…
    – Er würde aber noch immer mehr Zeit beanspruchen, als wir heute zur Verfügung haben, meinte der ältere Zermatt. Selbst angenommen, daß der Montrose uns bis zum Fuße der Kette führte, hätten wir ja unseren Hauptzweck noch nicht erreicht, denn wir müßten ja noch deren Kamm ersteigen, was jedenfalls längere Anstrengung erfordern dürfte.
    – Und außer der Frage, setzte Ernst hinzu, ob der Fluß auch weiterhin die Richtung nach Südwesten beibehält, müßten wir auch noch wissen, ob er nicht irgendwo durch Stromschnellen oder andere unüberwindliche Hindernisse gesperrt ist.
    – Das wird sich ja zeigen, antwortete sein Vater. Vorläufig wollen wir fahren, so weit die Fluth uns treibt; nach wenigen Stunden werden wir uns ja über alles weitere schlüssig machen können.«
    Jenseit der Biegung ließen die weniger hohen Ufer eine ziemlich große Strecke der vom Montrose durchflossenen Gegend überblicken. Diese erwies sich ebenso verlassen, wie, bis auf die vorhandene Thierwelt, das übrige Land. Auch hier bewegte sich durch das Gras und durch das Schilf am Ufer Wild aller Art, wie Trappen, Auerhähne, Rebhühner und Wachteln, umher. Hätte Jack seine beiden Hunde längs der Ufer und in deren nächsten Umgebung reviren lassen, so würden sie keine hundert Schritte gemacht haben, ohne Kaninchen, Hafen, Wasserschweine und Agutis aufzujagen. In dieser Beziehung wog das Land hier die Umgebung von Falkenhorst und die der Meiereien reichlich auf, selbst das Affenvolk inbegriffen, das von Baum zu Baum hüpfte. In einiger Entfernung kamen auch mehrere Trupps Antilopen von derselben Art vorüber, wie sie schon auf der Haifischinsel eingepfercht waren. Ebenso zeigten sich, etwa eine Lieue weit nach der Bergkette zu, kleinere Herden von Büffeln, und endlich konnte man noch weiter draußen mehrfach Strauße, halb fliegend und halb laufend, vorübereilen sehen. Heute hielten sie Zermatt und seine zwei Söhne aber nicht für Araber, wie die ersten, die ihnen von der Höhe der Einsiedelei Eberfurt aus zu Gesicht gekommen waren.
    Wie man es sich leicht denken kann, wurmte es Jack nicht wenig, auf das Deck der »Elisabeth« gebannt zu sein und dem Vorbeiziehen jener Vierfüßler und Vögel zusehen zu müssen, ohne sie mit einem Flintenschuß zu begrüßen. Was hätte jetzt freilich, wo

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