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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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man keines Proviants bedurfte, die Erlegung von Wild nützen können?
    »Heute sind wir keine Jäger, hatte sein Vater ihm wiederholt zugerufen, sondern Forschungsreisende, vor allem Geographen und Hydrographen, mit der Aufgabe, diesen Theil der Neuen Schweiz näher kennen zu lernen.«
    Der junge Nimrod wollte von dieser Beschränkung aber nichts wissen, sondern nahm sich vor, beim nächsten Halt der Pinasse die Umgebung mit seinen Hunden zu durchstreifen. Er wollte Geographie auf seine Weise treiben, wollte Rebhühner und Hafen aufnehmen, statt die geographische Länge und Breite gewisser Punkte aufzunehmen. Letzteres war die Sache des gelehrten Ernst, den es gewiß danach verlangte, die neuen Gebietstheile im Süden des Gelobten Landes auf seiner Karte einzuzeichnen.
    Von eigentlichen Raubthieren, die, wie wir wissen, in den Wäldern und auf den Ebenen am Ende der Perlenbucht und in der Nachbarschaft des Grünthales vorkamen, zeigte sich während der Fahrt an den Ufern des Montrose gar nichts. Von Löwen, Tigern, Panthern und Leoparden war hier keine Rede, dagegen hörte man wiederholt das heisere Bellen von Schakalen, der zwischen Wolf und Fuchs stehenden Abart von den Hunden, die unter der Thierwelt der Insel also wohl die Mehrzahl bildeten.
    Vergessen wir hier jedoch nicht, das Vorkommen zahlreicher Wasservögel zu erwähnen, wie das von Pfeilschwänzen, gewöhnlichen Enten, Krickenten und Schnepfen, die von einem Ufer zum andern flatterten oder sich im Schilf am Rande versteckten. Solche Gelegenheiten, seiner Neigung zu fröhnen und seine Geschicklichkeit zu beweisen, konnte Jack um keinen Preis vorübergehen lassen. Er that also auch einige glückliche Schüsse, und keiner machte ihm darüber Vorwürfe, höchstens Annah, die immer um Gnade für die harmlosen Thiere bat.
    »Meinetwegen harmlos, doch auch vortrefflich, wenn sie richtig gebraten sind,« gab Jack leichthin zur Antwort.
    Thatsächlich konnte man sich nur beglückwünschen, die Speisekarte für das Frühstück oder das Mittagsessen um einige Pfeilschwänze und Wildenten, die Falb aus dem Wasser apportirt hatte, vervollständigt zu sehen.
    Etwas nach elf Uhr erreichte die »Elisabeth« eine zweite Biegung des Flusses, der sich wieder, wie Ernst feststellte, mehr nach Westen wendete. Aus seiner Hauptrichtung ließ sich also mit hoher Wahrscheinlichkeit schließen, daß er von der jetzt noch sechs bis sieben Lieues entfernten Bergkette herabströme, von der er offenbar reichlich gespeist wurde.
    »Es ist recht schade, klagte Ernst, daß die Fluth nun bald vorüber ist und wir nicht noch weiter vorwärts dringen können.
    – Freilich schade, stimmte der ältere Zermatt ein, doch der Wechsel der Gezeiten ist nun einmal da und die Ebbe wird sich bald fühlbar machen. Da wir jetzt bereits den höchsten Wasserstand haben, wird die Fluthwelle auch kaum jemals über diese Biegung des Montrose hinausreichen.
    – Das liegt klar auf der Hand, bestätigte Wolston. Wir hätten uns also nur zu entscheiden, ob wir an dieser Stelle liegen bleiben oder die Ebbe benützen wollen, um nach der Bucht zurückzukehren, wo wir dann schon nach zwei Stunden eintreffen könnten.«
    Die betreffende Stelle war wunderschön, und wohl jeder wünschte nichts mehr, als den ganzen Tag über hier zu verweilen. Das linke Ufer bildete einen Einschnitt, in den sich ein kleiner, klarer und frischer Nebenfluß ergoß. Darüber neigten sich große Bäume mit laubreichen Kronen, aus denen man das Zwitschern und den Flügelschlag von Vögeln hörte. Es war eine Gruppe mächtiger indischer Feigenbäume, die fast den Magnolien von Falkenhorst glichen. Dicht dahinter erhoben sich stämmige Eichen mit breiten, stark belaubten Aesten, die keinen Sonnenstrahl hindurchließen. Und ganz im Hintergrunde standen Goyaven und Lichterbäume längs des Rios, über den eine frische, die unteren Zweige gleich Fächern bewegende Brise herwehte.
    »Wahrhaftig, sagte Frau Zermatt, das ist hier ein herrlicher Platz, wie geschaffen, darauf ein Häuschen zu bauen. Schade darum, daß er so weit von Felsenheim ab liegt!
    – Jawohl, allzuweit, meine Liebe, antwortete ihr Gatte; deshalb wird aber dieser Platz, das glaube mir getrost, nicht unbenützt bleiben; man braucht ja doch nicht alles selbst zu machen. Willst Du denn unseren zukünftigen Colonisten gar nichts überlassen?
    – Sie können überzeugt sein, Betsie, versicherte Frau Wolston, daß gerade dieser vom Montrose bewässerte Theil der Insel von den

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