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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ein herrlicher Abend. Ein leichte, mit den Wohlgerüchen vom Lande, wie mit den Dämpfen aus einer Räucherpfanne, beladene Brise erfrischte die Atmosphäre. Nach einem unter der Glut der Tropensonne verbrachten Tage war es ein Hochgenuß, diese erquickende, belebende Luft mit vollen Zügen einzuathmen.
    Alle Anzeichen versprachen die Fortdauer der schönen Witterung. Draußen am Horizonte lagerte eine leichte Dunstwand. Der in den höheren Luftschichten schwebende atmosphärssche Staub milderte das Leuchten der Sterne. Die kleine Gesellschaft lustwandelte hier-und dorthin und plauderte von den Plänen für den nächsten Tag. Gegen zehn Uhr erst begaben sich alle auf die »Elisabeth« zurück und suchten ihre Lagerstätten auf, letzteres nur Ernst nicht, dem die erste Wache zugefallen war.
    Eben als alle unter dem Verdecke verschwinden wollten, machte Frau Zermatt noch eine nicht unbeachtet zu lassende Bemerkung.
    »Ihr habt doch etwas vergessen, sagte sie.
    – Vergessen, Betsie? fragte ihr Gatte.
    – Jawohl, nämlich dem Flusse hier einen Namen zu geben.
    – Da hast Du recht, stimmte ihr der ältere Zermatt zu, und dieses Versehen würde unseren Ernst bei Aufstellung seines geographischen Namensverzeichnisses nicht wenig in Verlegenheit setzen.
    – Ei nun, schlug Ernst vor, da liegt uns ja ein gewisser Name sehr nahe… Nennen wir also den Fluß nach unserer Annah…
    – Recht so, Ernst, rief Jack. Das wird Ihnen Vergnügen machen, Annah, nicht wahr?
     

    Die betreffende Stelle war wunderschön. (S. 150.)
     
    – Ganz sicherlich, antwortete das junge Mädchen. Ich möchte aber lieber einen anderen Namen vorschlagen, der dieser Ehre würdiger wäre.
    – Nun also, welchen denn? fragte Frau Zermatt.
    – Den der Familie unser lieben Jenny!«
    Alle stimmten dem gern zu, und von diesem Tage ab gab es auf der Karte der Neuen Schweiz auch den Montrose-Fluß.

Zehntes Capitel.
Bootfahrt auf dem Montrose. – Unfruchtbare Gegend. – Die Kiesel der Schlucht. – Die Barre. – Rückfahrt nach dem Ankerplatze der »Elisabeth«. – Flußabwärts. – Eine Dampfwolke im Südosten. – Heimkehr nach Felsenheim.
    Am nächsten Morgen gegen sechs Uhr ragten bei der Ebbe am Rande der Bucht einige Felsblöcke hervor, die am vorigen Abend nicht sichtbar gewesen waren. Es zeigte sich jedoch, daß die Einfahrtswege selbst bei niedrigstem Wasserstande noch auf vierzig bis fünfzig Toisen Breite eine beträchtliche Tiefe hatten. Nach dem Montrose-Fluß konnte man also bei jedem Stande der Gezeiten einfahren.
    Reichte der Wasserlauf dann mit einiger Tiefe nur bis etliche Lieues ins Land hinein, so ließ sich voraussehen, daß seine Mündung jedenfalls für die Anlage einer ersten Niederlassung erwählt wurde, die sich in Zukunft vielleicht zu einer wichtigen Seestadt entwickelte. Die Wassertiefe an der Ankerstelle der »Elisabeth« war selbst dicht an dem felsigen Uferrande noch so bedeutend, daß der Kiel des Fahrzeuges noch immer fünf bis sechs Fuß über dem sandigen Grunde lag.
    Gegen sieben Uhr schlugen vereinzelte Wellen, die Vorläufer der Fluth, klatschend an die Steinblöcke in der Bucht, und die »Elisabeth« hätte sich sicherlich vor ihrem Anker gedreht, wenn sie nicht durch das Sorrtau am Ufer festgehalten worden wäre.
    Herr Wolston und Ernst, die schon beim Morgengrauen mit dem Canot weggefahren waren, um die Lage-und Bodenverhältnisse der Bucht weiter draußen kennen zu lernen, kehrten eben jetzt zurück. Wohlgemuth auf das Verdeck hinaufspringend, fanden sie Zermatt nebst seiner Gattin und Frau Wolston nebst ihrer Tochter hier schon vor. Es fehlte also nur Jack, der in Begleitung der beiden Hunde jagen gegangen war und dessen Verweilen in der näheren Umgebung und dessen Erfolge als Jäger der Knall mehrerer Schüsse verrieth. Auch dieser stellte sich bald wieder ein und brachte in der Jagdtasche zwei Paar Rebhühner und ein halbes Dutzend Wachteln mit.
    »Ich habe weder meine Zeit noch mein Pulver verschwendet, sagte er, als er seine Beute an vielfarbigem Federwild auf das Verdeck warf.
    – Unsern Glückwunsch, antwortete sein Vater, doch jetzt wollen wir uns auch die eintretende Fluth nicht entgehen lassen. Wirf das Halteseil los und steige mit ein!«
    Nach Ausführung dieses Auftrages sprang Jack mit seinen Hunden auf das Deck. Da der Anker aus dem Grunde schon losgerissen war, brauchte er nur noch nach dem Krahnbalken herausgezogen zu werden. Die Pinasse wurde sofort von der Strömung erfaßt und unter dem

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